John Mayall gastierte im Porgy und im Linzer Posthof.

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Wien – Wer in der Oberliga der britischen Bluesrock-Szene etwas zählt, ist unter ihm oder nach ihm groß geworden: Ob Eric Clapton, Jack Bruce, Peter Green, Mick Taylor, Aynsley Dunbar, Jon Hiseman, Mick Fleetwood oder John McVie – sie alle haben bei John Mayall und seinen Bluesbreakers in den 1960ern ihr Handwerk gelernt. Inzwischen mögen manche im Ruhestand oder nicht mehr unter uns sein. Der mittlerweile 83-jährige Mayall ist immer noch unterwegs, fördert Talente, nimmt Platten auf und denkt nicht ans Aufhören.

Auf seiner laufenden Europatournee machte er Halt im Porgy & Bess. Und: Der Abend geriet zu einer Rundumschau der elektrifizierten Bluesstile des letzten halben Jahrhunderts, ohne bestimmte Präferenz. "Ich habe keine Lieblingsperiode, weder in meiner Karriere noch in der Musikgeschichte", so Mayall im Porgy. "Ich denke, alles, was ich mache, geht auf die Wurzeln zurück, zum Jazz und eben zum Blues."

Was ist los mit dir?

Die gegenwärtige, eher reduzierte Version der Bluesbreakers – neben Mayall der Bassist Greg Rzab und der Schlagzeuger Jay Davenport – legten es energisch an: Oh, Pretty Woman, nicht zu verwechseln mit Roy Orbisons fast namensgleicher Schnulze, war die Fingerübung zum Einstieg, kräftiger Beat, Funkelemente und unsentimental: Hör mal, du Schönheit, was ist los mit dir? Von da an schwärmt das Trio in diverse Stilrichtungen aus. Vom Country-Blues bis zu (fast schon) Popmusik reicht das Angebot. Von Sonny Boy Williamsons Klassiker Help me, baby bis zu Eigenkompositionen Mayalls.

Auf der Mundharmonika kam er dem Vorbild Little Walter recht nahe. Das gefiel ebenso wie seine Fertigkeit, gleichzeitig mit der rechten Hand die Tasten zu bedienen. Das Keyboard diente ihm, dem Sänger, entweder quasi als normales Klavier, als Xylofon oder – etwas zu oft – als elektrisches Piano, das schon manche Hits wie eine Sauce zugedeckt hat; daher der Ausdruck "Mendocino-Orgel".

Mayall hatte die "britische Invasion" möglich gemacht, mit der seinerzeit die amerikanische Bluesmusik in die Staaten reimportiert wurde. Eine zweite Welle spülte ihn selber dorthin, bis an die Westküste, wo er seit 1970 lebt. Deren Lebensgefühl, alles wäre easy und alle Polizisten freundlich, besang er im Porgy (Walking on Sunset) und besann sich doch auch auf das andere Amerika: Gimme some of the Gumbo war eine saftige Verbeugung vor New Orleans und damit vor der Wiege seiner Musik.

Ein reisefreudiger Typ

Fast zwei Stunden lang spielte das Trio – und das ohne Pause. Deutlich zu spüren war die Bewunderung für den weißhaarigen agilen Mann im geblümten kurzärmligen Hemd, der Musikgeschichte geschrieben hat. "Wenn er doch nur hierbleiben könnt'", sinnierte jemand im Publikum. Wird er nicht. Er wird weiterziehen. Am Mittwoch war der Linzer Posthof dran, dann Tschechien und später quer durch Westeuropa. Zum Schluss gibt es dann natürlich einige Heimspiele in London. Vier der sechs Konzerte sind bereits ausverkauft, bald danach geht es nach Mexiko und wieder in die USA.

Schon im Blues from Laurel Canyon hatte Mayall nostalgisch übers Abschiednehmen gesungen, und auch auf der Bühne in Wien kamen, bei einer der letzten Nummern, Gedanken an alte Zeiten hoch: Mayall: "So viel Musik war da! Und wir wussten damals nicht, dass der London Blues geboren wurde. Es ist ein trauriges Gefühl, wenn so viele Freunde sich verlaufen. Einige sind tot, doch sie leben in meinem Herzen weiter. That's why I have the blues for the lost days." (Michael Freund, 2.3.2017)