Ankara/Berlin – Gegen den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel wurde am vergangenen Montag nach 13 Tagen in Polizeigewahrsam in der Türkei Untersuchungshaft verhängt. Der deutsch-türkische Journalist saß anfangs im Istanbuler Gefängnis Metris. Am Mittwoch wurde er dann in die Haftanstalt Silivri rund 80 Kilometer westlich verlegt.
Noch aus Metris schickte Yücel einen handschriftlich verfassten Brief an seine Freunde und Unterstützer, den die "Welt" am Donnerstag veröffentlichte:
Regierungsnahe Medien in der Türkei haben Yücel unterdessen als "Türkei-Feind" verunglimpft und in die Nähe von Terroristen gerückt. Die Zeitung "Star" schrieb am Donnerstag auf ihrer Titelseite über den deutsch-türkischen Korrespondenten: "Kein Journalist – PKK-Auftragsmörder" (PKK tetikcisi).
Nach der Definition der Gesellschaft für türkische Sprache bezeichnet das Wort "tetikci" einen Auftragsmörder, es kann sinngemäß aber auch als Marionette verstanden werden. Mehrere regierungsnahe Medien – die sich bisher in der Berichterstattung über den Fall Yücel zurückgehalten hatten – übernahmen den "Star"-Artikel wortgleich in ihren Online-Auftritten. Darunter sind zum Beispiel "Sabah", "Yeni Akit" und "A Haber".
"Star" berichtete, der deutsch-türkische Journalist sei "in Deutschland zur Symbolfigur der türkeifeindlichen Propaganda gemacht" worden. "In jedem seiner Artikel hat er mit Worten wie "Despot, Frauenfeind" den Präsidenten (Recep Tayyip) Erdogan beleidigt." Das Blatt schreibt, das türkische Presseamt habe 54 Artikel Yücels seit dem Juni 2016 ausgewertet. Die Behörde sei zu dem Ergebnis gekommen, dass er "Propaganda" für die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betreibe. Er sei zudem für die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen eingetreten, die Erdogan für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich macht. In seinen "Lügenberichten" habe Yücel "seinen Hass gegen die Türkei erbrochen".
"Star" verwendet auf Seite 13 ein Foto, das nach Angaben der Zeitung einen Auftritt Yücels bei einer PKK-Veranstaltung in Deutschland zeigen soll. Dabei handelt es sich aber um eine Aufführung von "Hate Poetry", auf der deutsche Journalisten mit Migrationshintergrund rassistische Hetzbriefe vorlesen, die sie erhalten. (APA, dpa, 2.3.2017)