Wien – Er ist ein Träumer und Romantiker, ein Idealist und ein Humanist, ein unbeschwert Unvernünftiger und ein Herzensguter: Ohne Zweifel, Don Quichotte ist eine der berührendsten Figuren der Weltliteratur. Miguel de Cervantes Saavedra hat den Ritter von der traurigen Gestalt im Spanien des 17. Jahrhunderts auf Reisen geschickt, und schon damals wirkte die von Minne, Caritas und Heldenmut erfüllte Figur wie aus Zeit und Wirklichkeit gefallen.

Jules Massenet widmet sein letztes Opernwerk dem großen Realitätsverweigerer. Im Musikverein war das Orchestre National du Capitole de Toulouse zu Gast, um unter der Leitung von Tugan Sokhiev eine konzertante Aufführung zu bieten. Die Riege der Solisten wurde angeführt von Ferruccio Furlanetto, der mit dem Don Quichotte eine seiner Lieblingsrollen interpretierte.

Der 67-Jährige fesselt auch ohne szenische Beigaben, durch einen Hustenreiz leicht gehandicapt, mit Präsenz und mächtigem, edlen Bass. Dem Italiener standen auf der Abenteuerreise eine Gruppe osteuropäischer Solisten zur Seite: Andrii Goniukov sang den Sancho Pansa, den Realisten, auf eine tadellose, aber auch etwas verwechselbare, brave Weise.

Der Dulcinée verlieh Anna Kiknadze Sinnlichkeit, Wärme und ein fallweise aufflackerndes erotisches Feuer à la Carmen. Taras Prysiazhniuk (Rodriguez) und Sergei Radchenko (Juan) boten Kraftgesang, Letzterer mit einer etwas nobleren Note. Tugan Sokhiev, neben seinem Chefposten in Toulouse auch künstlerischer Leiter des Bolschoi Theaters, leitete die Unternehmung mit Eleganz, Elan und präziser Strenge. Die Franzosen musizierten anfänglich auf eine straffe, handfeste Weise, erlaubten sich später aber mehr und mehr Biegsamkeit und lyrische Feinheit.

Beeindruckend auch der Wiener Singverein. Auf den Tod des gebrochenen alten Mannes reagierte das Publikum mit einhelliger Begeisterung. (sten, 3.3.2017)