Anhänger der VMRO-DPMNE protestierten zu Wochenbeginn gegen eine sozialdemokratische Regierung. Politiker der VMRO fürchten auch, wegen Amtsmissbrauchs angeklagt zu werden.

Foto: APA/AFP/Atanasovski

Skopje/Sarajevo – Es gibt wohl keinen Staatspräsidenten in Europa, der so im Widerspruch zu seinem Amt agiert wie der Mazedonier Gjorge Ivanov. Der Jurist entscheidet nur entlang seiner parteipolitischen Interessen – er steht der in den vergangenen zehn Jahren regierenden rechtskonservativen VMRO-DPMNE nahe -, und er spaltet das Land. Am Mittwoch verweigerte er der sozialdemokratischen Oppositionspartei SDSM das Mandat zur Regierungsbildung, obwohl zuvor der Versuch der VMRO-DPMNE, eine Regierung zu bilden, gescheitert war.

Am Montag bereits hatte der Chef der SDSM, Zoran Zaev, dem Präsidenten Belege dafür übergeben, dass er über eine Mehrheit im Parlament verfügt. Nun beschuldigte er den Staatschef, einen Staatsstreich durchzuführen, und meinte: "Ivanov hat Mazedonien in eine Verfassungskrise gestürzt, indem er den Willen der Mehrheit der Bürger leugnet."

Auch Johannes Hahn, EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik, der sich in Mazedonien sehr engagiert, reagierte scharf auf Ivanovs Weigerung. "Wir haben mehrfach wiederholt, dass alle Führer des Landes, darunter auch der Präsident, das Ergebnis der jüngsten Wahlen zu respektieren haben. In einer Demokratie", so Hahn, müsse man "die parlamentarischen Mehrheiten anerkennen, auch wenn man diese nicht mag". Am Donnerstag war die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in Skopje und bekräftigte Hahns Botschaft.

Albaner als Königsmacher

Bei den Wahlen am 11. Dezember vergangenen Jahres war die VMRO zwar mit 39,4 Prozent die stärkste Kraft im Land geblieben, doch die SDSM war mit 37,9 Prozent nahe an sie herangekommen. Entscheidend für die Regierungsbildung sind in Mazedonien die Albanerparteien, weil etwa ein Viertel der Bürger Albaner sind. Zaev hatte den Albanerparteien nun ein Sprachengesetz zugebilligt, das die Verwendung von Albanisch als Amtssprache im Gesamtstaat vorsieht. Bisher ist das nur in Gemeinden mit mindestens 20 Prozent Albanern vorgesehen.

Der Chef der VMRO, Nikola Gruevski, betonte nun, dieses Gesetz würde die "nationalen Interessen" Mazedoniens beschädigen. So ähnlich argumentierte auch Präsident Ivanov, der EU-Diplomaten zufolge von Gruevski instruiert wurde: Zaev habe das Potenzial, "das Land zu zerstören", indem er die Wünsche der Albanerparteien akzeptiere, so Ivanov. Zunächst müsse Zaev eine "Plattform" zurückweisen, die aus einem "fremden Land" komme.

Edi Ramas Rolle

Ivanov spielte dabei auf jene Plattform von Albanerparteien in Mazedonien an, die auch vom Premier des Nachbarlandes Albanien, Edi Rama, unterstützt wird. Rama hatte sich tatsächlich in kontraproduktiver Weise in Mazedonien eingemischt, obwohl die Geschichte Südosteuropas zeigt, dass es nichts Destruktiveres gibt, als transnationale Bündnisse zu fördern, die auf "ethnischer" Zugehörigkeit basieren, und wenn sich Nachbarstaaten aus "völkischen" Interessen in die Innenpolitik anderer fragiler Balkanstaaten einmischen. Klar ist: Die Albanerparteien-Plattform unterstützt einen Regimewechsel und eine Koalition mit der SDSM. Angesichts dieser neuen Situation hat die VMRO in der Panik, die Macht zu verlieren, eine antialbanische Kampagne gestartet.

"Säubert Mazedonien!"

Bereits zu Wochenbeginn marschierten Demonstranten durch Skopje, die Schilder mit der Aufschrift "Nein zur Zweisprachigkeit!" in den Händen hielten. Manche sangen antialbanische rassistische Lieder wie "Säubert Mazedonien!" oder "Verdammte Shiptaren!" Der Begriff "Shiptar" wird von diesen Nationalisten abwertend für Albaner verwendet.

Unter den mazedonischen Albanern ist nun die Angst groß, es könnte ein interethnischer Konflikt provoziert werden. Man erinnert sich noch genau an den Mai 2015, als sich albanische Kriminelle in Kumanovo mit der Polizei zwei Tage lang Feuergefechte lieferten. Die VMRO hat gezeigt, dass sie für den Machterhalt und persönliche Interessen bereit ist, gegen rechtsstaatliche und demokratische Normen zu verstoßen.

So hatte Ivanov im April 2016 sämtliche korruptionsverdächtigen Politiker begnadigt – später musste er dies, auch aufgrund des Drucks der USA, rückgängig machen. Der US-Botschafter in Skopje, Jess Bailey, kämpft gemeinsam mit der EU für die Demokratisierung im Lande. Er wurde von Donald Trump nicht ausgewechselt. (Adelheid Wölfl, 3.3.2017)