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Für große Bauprojekte werden Spezialfirmen engagiert, die die Grundstücke vorab untersuchen. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.

Foto: dpa / Hendrik Schmidt

Vor einigen Wochen wurde in der Nähe des Linzer Stadtentwicklungsgebietes Grüne Mitte ein brisanter Fund gemacht: Dort, wo bis 2019 im Wohnprojekt "winkler park" der GWG 193 geförderte Mietwohnungen hochgezogen werden, stieß man bei Baggerarbeiten auf eine 250-Kilo-Fliegerbombe, die vom Entminungsdienst des Bundes entschärft und abtransportiert wurde.

Wirklich überrascht war GWG-Geschäftsführer Wolfgang Pfeil über den Fund nicht: Durch seine Rüstungsindustrie war Linz im Zweiten Weltkrieg eines der Hauptziele von Luftangriffen. Der Frachtenbahnhof, wo sich heute die Grüne Mitte befindet, sei in der Einflugschneise zur Voest gelegen, erklärt Pfeil. Er schätzt, dass die Bombe drei Meter unter der Erdoberfläche lag. Nach dem Fund seien die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort verschärft worden; nun überwacht ein Sachverständiger die Bauarbeiten, damit die Arbeiter sich sicher fühlen.

Ein Blick in die Statistik zeigt: Solche Einsätze sind für den Entminungsdienst, der seit 2013 dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport zugeordnet ist, beinahe Alltag. Mehr als 35.000 Kilogramm Kriegsmaterial wurden im Vorjahr geborgen, mehr als 1000 Fund- bzw. Wahrnehmungsmeldungen gingen ein. Österreichweit wurden 33 Bombenblindgänger mit mehr als 50 Kilo entschärft und beseitigt.

Polizei informieren

98 bis 99 Prozent der Einsätze würden auf Baustellen stattfinden, weil Kriegsmaterial meist bei Grabungsarbeiten gefunden werde, sagt Wolfgang Korner, Chef des Entminungsdienstes. Zwar gibt es Hotspots, die besonders stark bombardiert wurden. "Aber in Österreich wurde im gesamten Bundesgebiet gekämpft. Vielleicht hat sich irgendwohin ja etwas verirrt oder wurde weggeschmissen."

Wird eine Fliegerbombe gefunden, dann muss zuerst die Polizei informiert werden, die eine Begutachtung durch ein sogenanntes sprengstoffkundiges Organ vornimmt und den Entminungsdienst alarmiert.

Dieser kommt, je nach Gefahrenpotenzial, auch schon einmal mit dem Hubschrauber: "Manche Kriegsmaterialien sind möglicherweise so brisant, dass sie von selbst explodieren", sagt Korner und meint damit Bomben mit Langzeitzündung. "Man weiß nicht, warum diese vor 70 Jahren nicht explodiert sind. Aber möglicherweise wurde durch die Grabungsarbeiten der Zeitzünder wieder aktiviert."

Analyse von Luftbildern

Ein solcher Einsatz des Entminungsdienstes ist kostenlos, betont Korner, auch wenn diesbezüglich immer wieder falsche Informationen kursieren würden. Lediglich die verlorengegangene Arbeitszeit schlage sich auf der Baustelle auf das Budget, sagt GWG-Chef Pfeil.

Grundstückseigentümer sind in Österreich zwar grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, ihre Grundstücke vor einem Bauprojekt untersuchen zu lassen, der Bauträger WBV-GPA lässt aber seit "sieben bis acht Jahren" sämtliche Grundstücke daraufhin überprüfen, wie Walter Hofbauer, Leiter der Projektentwicklung, im Gespräch mit dem Standard berichtet.

Denn in den letzten Jahren seien Aufnahmen der Alliierten von Luftangriffen für Spezialfirmen zugänglich gemacht worden. Diese Firmen versuchen anhand der Aufnahmen, Verdachtsflächen zu identifizieren, bevor sie die Grundstücke sondieren. Der Zeit- und Kostenaufwand würde sich für die Projektentwickler in überschaubarem Rahmen halten, sagt Hofbauer.

In der Seestadt Aspern – aufgrund ihrer Vergangenheit als Luftwaffenstützpunkt "absolutes Verdachtsgebiet", so Hofbauer – war im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung von 2009 die Verpflichtung zur Vorsondierung von Kampfmitteln sogar vorgeschrieben, berichtet Yvonne Heuber von der Wien 3420 Aspern Development AG. "Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es aber nicht", betont Hofbauer. "Mit allen angewandten Methoden wurde nichts gefunden. Und dann stieß man beim Bau trotzdem auf Flakmunition."

Sensibilität gestiegen

Peter Bartosch junior bietet mit seinem Unternehmen, der Munitionsbergung Bartosch, eine Sondierung von Grundstücken mittels Magnetometergeräten an, die Metall unter der Erde aufspüren. Die auf dem Baufeld gesammelten Daten werden am Computer analysiert. Legt die Auswertung nahe, dass sich unter der Erde ein potenziell gefährliches Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg befindet, wird gegraben. Dabei stoße man auch auf Unerwartetes, berichtet Bartosch: Neben Munition und Blindgängern, für die der Entminungsdienst gerufen wird, liegen auch Stahlhelme und Uniformen sowie Mopeds und ganze Autos unter der Erde.

Die Sensibilität für die Gefahren durch Fliegerbomben sei bei Projektentwicklern in den letzten Jahren gestiegen, meint Bartosch. Er fürchtet also nicht, dass ihm die Arbeit irgendwann ausgeht: "Blindgänger sind noch immer in großer Zahl vorhanden. Und das Zeug, das noch unter der Erde liegt, wird mit den Jahren nicht besser, sondern brisanter."

Arbeitslosigkeit fürchtet man auch beim Entminungsdienst nicht. Wie viel aber tatsächlich noch unter der Erde liege, wisse man nicht, betont Korner. Denn Aufzeichnungen über Funde und Entschärfungen gibt es erst seit den 1970er-Jahren. Was schon während des Kriegs oder in den Jahren danach entschärft wurde, weiß niemand: "Damals hat man nicht geglaubt, dass diese Funde nicht irgendwann aufhören", sagt Korner.

Noch etwas sei früher anders gewesen: "Wenn man damals sagte: 'Achtung, Bombe!', dann sind die Leute weggegangen. Heute weigern sie sich teilweise, ihre Wohnung zu verlassen, weil sie zuschauen und mit dem Handy Fotos machen wollen." (Franziska Zoidl, 5.3.2017)