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Jens Steiner

Foto: EPA

Monatelang geisterte der Verdacht durch die Redaktion des Boulevardblatts, ohne dass er bestätigt oder ausgeräumt werden konnte. Ausgerechnet ein Praktikant in der Anzeigenabteilung schaffte es, die Spuren bis an ihren gemeinsamen Ausgangspunkt zu verfolgen. Als er zusammen mit einem News-Redakteur und einem Techniker jenen Kanaldeckel am Rand jenes ungenannt bleibenden Hauptstadtvororts öffnete, staunten sie nicht schlecht. In dem kalten Schacht saß ein Minimensch in der Größe einer Fahrradpumpe und haute wie ein Wahnsinniger in die Tastatur eines Notebooks.

Dies sollte das Subjekt sein, das für schätzungsweise 80 Prozent der Online-Leserkommentare zeichnete? Bei dem Schreibtempo nicht auszuschließen, dachte der Redakteur und hatte eine Idee. Nach einem Ohrgemauschel mit dem Techniker hoben sie den Zwerg, der sich davon nicht stören ließ und in einem Furor ohnegleichen weiterschrieb, kurzerhand aus dem Schacht und nahmen ihn mit auf die Redaktion. Seit vier Monaten sitzt der Winzling nun in einer staubigen Besenkammer hinter dem Liftschacht und zeichnet für schätzungsweise 80 Prozent der Hintergrundartikel des Blatts. In derselben Zeit haben sämtliche Redakteure ihr Golf-Handicap übrigens massiv verbessern können. (Jens Steiner, Album, 3.3.2017)