Der Protest geht weiter: Der erste Frauenstreik in Polen fand im Oktober 2016 statt. Hier in Bielsko-Biała am 3. Oktober 2016.

Foto: Agnieszka Morcinek / Agencja Gazeta

Wir, die Frauen Polens, haben das Auftreten der größten Bedrohung für die US-amerikanische Demokratie in der Person Donald Trumps mit einem widerwärtigen Gefühl von Vertrautheit beobachtet. Kurz vor dem 8. März, dem Tag unseres internationalen Streiks gegen die Einschränkung von Frauenrechten, möchten wir euch mitteilen, was gegenwärtig aus unser Perspektive auf dem Spiel steht – aus der Perspektive eines Landes, in dem eine Alt-Right-Regierung seit einem Jahr an der Macht ist. Liebe Frauen von Amerika, unsere Ängste sind wohlbegründet. Aber ihr seid nicht allein.

Vom "Black Monday" zum Frauenstreik

Der 8. März wird unsere zweite Tribüne gegen das giftige Verhältnis sein, das unsere gegenwärtige Regierung den Frauen Polens aufzuzwingen versucht. Unser erster Streik war der "Black Monday" (Schwarzer Montag) im Oktober vergangenen Jahres, als wir die Straßen mit schwarzen Regenschirmen füllten, um unsere reproduktiven Rechte zu verteidigen. Ähnlich wie Donald Trump, der am ersten Tag nach seiner Amtseinführung die "Global Gag Rule" eingeführt hat, wonach die USA keine ausländische Organisation finanziell unterstützen, die Frauen in der Familienplanung unterstützt, hat auch die polnische Regierung ihre Amtszeit mit dem Versuch begonnen, die wenigen Ausnahmefälle in unserem ohnedies rigiden Antiabtreibungsgesetz zu kriminalisieren. Wir konnten es nicht und wir haben es nicht zugelassen, dass dieser Vorschlag umgesetzt wird.

Seit diesem Zeitpunkt haben wir gesehen, dass ein Regierungsplan, der mit dem Angriff auf Frauenrechte beginnt, mit Nationalismus und Dämonisierung von Immigranten weitermacht und dafür auch die Geschichtsbücher von Schulkindern umschreiben lässt. Wir waren Augenzeuginnen einer Präsidentschaft, die zuallererst damit anfing, die Zügel über Frauenleben in die Hand von Behörden zu legen, auch nicht auf den Schutz von gefährdeten natürlichen Lebensräumen achtet und Umweltschutz wieder zurücknimmt. Wir teilen die Erfahrung, dass, wenn ein Mann, der dazu gewählt wurde, die gesamte Nation zu vertreten, Frauen den Rücken zukehrt, er schnell dasselbe mit den Medien und den Gerichten macht.

Was gegenwärtig in Polen passiert

Wenn ein Rüpel über die politische Macht verfügt, sind das die Konsequenzen, die wir gegenwärtig in Polen sehen: ein lahmgelegtes Verfassungsgericht, ein ins Chaos gestürztes Bildungssystem, ein im Smog erstickendes Land, wo Urwälder und Stadtbäume rücksichtslos gefällt werden, wo unabhängige Medien durch wirtschaftliche Sanktionen geschwächt werden und die öffentlichen Medien zu einer Propagandamaschine der Regierung verkommen. Was als Messerstich gegen reproduktive Rechte begonnen hat, hat sich fortgesetzt als Angriff auf alles, was wir an einer modernen Gesellschaft so hochhalten. Diese Veränderungen erfolgten in Polen sehr zügig. In den USA könnte es genauso sein.

Tatsächlich könnte es diese Bedingungen bald in vielen Ländern der Erde geben. Wir erkennen, dass Politik und Wirtschaftspolitik des Westens bei Einkommensungleichheit und Korruption die Grenzen des gesellschaftlich Tolerierbaren überschritten haben. Veränderung ist jetzt unausweichlich, und es ist sicher, dass wir alle eine Phase turbulenten Wandels erleben werden. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass Faschismus und andere Fehler der Vergangenheit zur Lösung dieser Probleme gefördert werden. Es ist unsere unerschütterliche Überzeugung, dass Frauenrechte Menschenrechte sind. Und dass eine auf Demokratie aufbauende, alle Menschenrechte respektierende Zukunft die einzige ist, an der wir uns beteiligen.

"A Day Without a Woman"

Vor 28 Jahren brachte unsere enorme Solidaritätsbewegung nach Jahrzehnten der kommunistischen Besatzung die Demokratie nach Polen. Am 8. März, "A Day Without a Woman" (einem Tag ohne Frauen), inspiriert von unserem Black Monday, werden wir wieder streiken – in internationaler Solidarität.

Wir werden mit euch streiken, als Frauen der 99 Prozent. Als Mütter, als Ehefrauen, als Schwestern, als Töchter, als Revolutionsführerinnen für eine inklusive, nachhaltige Zukunft für alle: eine, in der die beeindruckende Kommunikationstechnologie Wissen und Zusammenarbeit verbreitet, und das schneller und weiter als Fake-News und Hass. Für eine Welt, in der der Wert eines Menschen daran gemessen wird, was er weiß, was er macht und was er beitragen kann, und nicht am Geschlecht, dem Geburtsort und dem Namen seines Gottes. Wir streiken dagegen, dass Menschenrechte mit Füßen getreten werden, Rechte, die in der Vergangenheit von mutigen Frauen und Männern hart erkämpft wurden. Wir stehen füreinander ein, um teilzuhaben an der Gestaltung eines neuen Gleichgewichts, das aus den gegenwärtigen Krisen entstehen wird – auf beiden Seiten des Atlantiks.

Zählen Sie sich selbst mit

Um die Ergebnisse unseres globalen Aufeinandertreffens einzufahren, schlagen wir eine namentliche Abstimmung vor. Lassen Sie uns für uns selbst und für andere schauen, wie groß die Kraft unserer Bewegung tatsächlich ist. Zählen Sie sich selbst mit – unabhängig davon, ob Sie in einer Groß- oder Kleinstadt leben, ob Sie in Europa, Nordamerika, Südamerika, Afrika oder Asien leben, ob es Ihnen möglich ist, an Demonstrationen teilzunehmen oder nicht. Wenn Sie das Konzept einer neuen, vernetzten Zukunft, basierend auf demokratischer Gleichberechtigung aller, teilen, dann holen Sie sich bitte Ihre Nummer.

Auf unserer Webseite countmein.pl erhalten Sie eine einmalige ID-Nummer in der globalen Frauenbewegung für Demokratie. Machen Sie davon Gebrauch. Zeigen Sie es am 8. März und an jedem anderen Tag, wenn Sie Ungerechtigkeit aufzeigen müssen oder Unterstützung benötigen. Zeigen Sie es online und wo immer Sie können. Nützen Sie es, um ein Unterstützungsnetzwerk aufzubauen. Und holen Sie sich Ihre Nummer, um sich nicht allein zu fühlen. Weil Sie das nicht sind. (Herausgeberinnen und Journalistinnen der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza", 6.3.2017)