Wien – Der ORF hat am Sonntag erfolglos versucht, über den Auftritt eines türkischen Ex-Abgeordneten in Wien-Ottakring zu berichten. ORF-Journalistin Sonja Sagmeister ist der Zutritt zum Vereinslokal verwehrt worden, in dem Şevki Yılmaz offenbar für das umstrittene Referendum über ein Präsidialreferendum in der Türkei warb.

Laut einem Bericht von Puls 4 wurde die Journalistin in türkischen Medien als Spionin beschimpft, es habe auch einen Polizeieinsatz gegeben. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Wien sagte am Montag auf Anfrage, dass die Polizei von der Journalistin alarmiert worden sei. "Die Polizei war unnötig dort", fügte er hinzu. Die Veranstalter hätten bei dem Treffen in dem "privaten Vereinslokal" keine Journalisten gewollt. Es habe weder eine Beschimpfung noch Handgreiflichkeiten gegeben.

Öffentlich zugänglich

Der ORF wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass der Veranstaltungssaal zunächst öffentlich zugänglich gewesen sei. Es sei daher "rechtlich völlig legitim", dass eine ORF-Redakteurin diesen Saal "im Rahmen einer journalistischen Recherche unerkannt, im konkreten Fall durch Tragen eines Kopftuchs" betreten wollte. "Der Vorwurf der Spionage ist absurd." Zu möglichen Bedrohungen der ORF-Redakteurin habe sich der Verfassungsschutz eingeschaltet.

ORF-Redakteursrat: ORF-Journalisten sind keine "Agenten"

"Obwohl nach Angaben des Veranstalters das Treffen öffentlich zugänglich gewesen sei, ist dem ORF-Team der Zugang verweigert worden. In weiterer Folge wurde 'ZiB'-Reporterin Sonja Sagmeister in türkischen Medien als "Agentin" bezeichnet. Dagegen wehren sich die Journalistinnen und -Journalisten des ORF", schreibt der ORF-Redakteursrat in einer Stellungnahme. "Freie Berichterstattung und Pressefreiheit sind ein hohes Gut und dürfen nicht eingeschränkt werden". Sagmeister habe im Vorfeld versucht, mit dem Verein "Wonder" Kontakt aufzunehmen. Auf telefonische Anfrage sei nicht reagiert worden.

"Als die ORF-Redakteurin sich vor Ort ein Bild machen wollte, wurde sie von Versammlungsteilnehmern bedrängt und hat sich dadurch eingeschüchtert gefühlt. Diese Form von Umgang mit JournalistInnen und die Behinderung unserer Arbeit ist absolut unzulässig", so die ORF-Redakteure. "Wir protestieren gegen den Umgang mit der freien Presse durch den AKP-nahen Verein Europäische Union der türkischen Demokraten' (UETD) in Österreich. Völlig haltlose Anschuldigungen, dass eine ORF-Journalistin eine 'Agentin' sei und bei der Veranstaltung 'irgendwelche Aktionen geplant' hätte – so der Vorwurf in türkischen Medien – weisen wir auf das Schärfste zurück".

UETD-Veranstaltung

Die Veranstaltung fand im Lokal des AKP-nahen Vereins Wonder statt, der vorrangig türkische Studenten in Wien unterstützt, etwa mit Sprachkursen. Im Jahr 2011 besuchte der damalige türkische Präsident Abdullah Gül die Räume von Wonder" Das Sekretariat des Vereins teilte auf Anfrage mit, dass die Veranstaltung von der UETD ausgerichtet wurde.

UETD-Sprecher Ramazan Aktaş sagte dem "Kurier", die ORF-Journalistin habe sich mittels Kopftuchs "verkleidet" und schon eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn in dem noch weitgehend leeren Saal mit dem Smartphone gefilmt. Auf die Bitte, noch etwas zu warten, und die Frage, warum sie sich "getarnt" habe, habe die Journalistin dann die Polizei alarmiert.

Der türkische Abgeordnete Şevki Yılmaz gilt als islamistisch. Er saß in den 1990er-Jahren für die AKP-Vorläuferin Refah (Wohlfahrtspartei) im Parlament und sorgte damals unter anderem mit Kritik am laizistischen Regierungssystem und Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk für Aufsehen. (APA, red, 6.3.2017)