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Auf dem Luftwaffenstützpunkt Osan in Pyeongtaek werden THAAAD-Abschussrampen ausgeladen.

Foto: AP/U.S. Force Korea

Seoul/Wien – Die Abkürzung ist von bedrohlichem Klang, der an Systeme des Kalten Kriegs denken lässt. "Thaad" heißt das Abwehrsystem, das die USA als Reaktion auf Nordkoreas Raketentests seit Dienstag nach Südkorea verlegen lassen. Und auch China und Russland denken an die Konfrontation mit Washington: Die beiden Nachbarländer Nordkoreas sehen das "Terminal High-Altitude Area Defense System", das Raketen im Flug zerstören kann, als geopolitisches Instrument, das sich gegen ihre Interessen richtet.

Chinas Außenministerium sprach von einem "Irrweg" und appellierte an die beteiligten Staaten, diesen wieder zu verlassen. "Wir werden alle nötigen Schritte setzen, um unsere Sicherheitsinteressen zu verteidigen" , sagte Geng Shuang, ein Sprecher des Außenministeriums. "Die USA und Südkorea werden alle Konsequenzen zu tragen haben."

Osan AirBase

China ist wegen der Stationierung des Systems vor allem deshalb besorgt, weil Thaad nicht nur – wie von den USA argumentiert – Schutz für Südkorea bietet, sondern auch die Zone der amerikanischen Radarüberwachung über Teile Chinas verschiebt. Peking hat deshalb bereits am Wochenende mehrere Läden des koreanischen Großkonzerns Lotte schließen lassen, der für die Stationierung von Thaad Boden an den Staat abgibt. Weitere Strafmaßnahmen könnten folgen.

Peking ist aber auch über Nordkorea verärgert. Das Nuklearprogramm Pjöngjangs, schrieb die Parteizeitung Global Times, habe den USA eine Ausrede geliefert, um Thaad zu installieren. In China versteht man den Zeitpunkt des jüngsten Raketentests Nordkoreas – während des chinesischen Volkskongresses – auch als Signal, mit dem Machthaber Kim Jong-un seine Unabhängigkeit demonstrieren wolle. Vor wenigen Tagen erst hatte China einen Einfuhrstopp für nordkoreanische Kohle erlassen, um Pjöngjang für sein provokatives Verhalten zu strafen.

nknewsorg

Die Stationierung ist auch in Südkorea alles andere als unumstritten. Die mittlerweile wegen Korruptionsvorwürfen suspendierte Präsidenten Park Geun-hye hat der Maßnahme im vergangenen Jahr nach einem nordkoreanischen Atomwaffentest zugestimmt. Die linksliberale Opposition, die im schon angelaufenen Wahlkampf um ihre Nachfolge favorisiert wird, lehnt Thaad ab und warnt vor Krieg auf der Halbinsel. Ähnlich, wenn auch etwas nüchterner, äußerte sich Moskau: Das Abwehrsystem führe die Lage auf der Koreanischen Halbinsel in eine Pattsituation.

Möglicher Präventivschlag

Beide spielen damit auch auf Berichte in amerikanischen Medien an, laut denen die US-Regierung von Donald Trump neben anderen Optionen auch einen Präventivschlag gegen Nordkoreas Nukleararsenal in Betracht ziehen könnte – vor allem dann, wenn man zum Schluss komme, dass Nordkorea seine Raketentechnologie so weit perfektioniert habe, dass Interkontinentalgeschoße auch das US-Festland erreichen können. Diese könnte auch Thaad nicht stoppen. Vor einem solchen Szenario soll Expräsident Barack Obama Trump eindringlich gewarnt haben. Vielleicht aber auch schon früher. Pjöngjangs Prahlen, der jüngste Raketentest habe einen Angriff auf US-Basen in Japan simuliert, hat in Washington für Beunruhigung gesorgt.

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Anti-THAAD-Demonstration in Seoul.
Foto: REUTERS/Kim Hong-Ji

Für einen Präventivschlag wäre Thaad nötig: Das System könnte dann dazu dienen, Südkorea vor einem Angriff mit den nichtzerstörten nordkoreanischen Waffen zu schützen. Massives Blutvergießen ließe sich so freilich nicht vermeiden. Südkoreas Hauptstadt Seoul, die zehn Millionen Einwohner zählt, liegt auch in Reichweite konventioneller Geschoße – von Opfern des folgenden Krieges, auch im Norden, ganz zu schweigen.

Das bereitet auch China Sorgen. Wo genau Trump einen Angriff stoppen würde, wisse man nicht genau. (Manuel Escher, 7.3.2017)