Personalberater Othmar Hill: radikal zum Weltfrauentag

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Die erdrückende Mehrheit aller verantwortungsvollen Positionen in Wirtschaft und Politik ist von Männern besetzt. Frauen wird konsequent der Zugang zur Macht verwehrt. Die "gläsernen Decken" sind überall eingezogen. Nicht nur in den westlichen Nationen, sondern nahezu in allen Ländern. Diese empörende Verteilungsungerechtigkeit kann doch nicht länger aufrechterhalten werden!? Daher empfiehlt es sich, nach einem fairen Ausgleich für diese Disparität zu suchen.

Viele Herren der Schöpfung genießen Ehre und Anerkennung dafür, dass sie sich abrackern in 60-, 70-Stunden-Arbeitswochen. Ihre Work-Life-Balance opfern sie für die Karriere. Die Kindererziehung geht spurlos an ihnen vorbei. Der "Papamonat" ist eine Lachnummer. Viele sind stolz auf ihre Überlastung. Sie tragen selbst Magengeschwüre oder Herzattacken als Epauletten ihrer Businessuniform. Stattdessen müsste man diese Form des "Arbeitsschmarotzertums" diskreditieren. Ein Mann, der anderen die Arbeit wegnimmt, sollte eher mit Verachtung als mit Achtung bedacht werden.

Schwere Schäden und Pleiten

Im wirtschaftlichen, technischen und politischen Betriebsgeschehen wird es in Zukunft immer weniger bezahlte Jobs geben. Aber bei aller Automatisierung in den meisten Branchen werden verantwortungsvolle Führungs- und Leitungsfunktionen weiterexistieren. Wichtige Aufgaben erfordern Absicherung durch Stellvertreter- und Nachfolgeregelungen. Die Arbeitswelt ist voll von schweren Organisationsschäden und Pleiten – hervorgerufen durch mangelnde Substituierung hochwertiger Jobs. Diese Schwachstelle ist allen professionellen Personalverantwortlichen bewusst. Daher empfiehlt es sich sowieso, jeden Spitzenposten mit zwei Personen auszustatten. Es geht nicht um die Bewältigung von Fachwissen, sondern immer fehlt es an informellem Wissen. Dieses kann nie in Schulungen oder durch Wissensmanagement-Maßnahmen erworben werden. Informelle Kenntnisse werden nur in jahrelanger Praxis angehäuft.

Besetzt doppelt – gendergerecht

Daher der Vorschlag, jede einflussreiche Position mit einem Mann und einer Frau zu besetzen! Jobsharings auf Augenhöhe mit fein abgestimmter Aufgabenteilung wären hilfreich in jeder Organisation. Sie verlangsamt eventuell die Entscheidungsgeschwindigkeit, vertieft jedoch die Entscheidungsqualität. Weil dann der einsame Managermann auch weibliche Denkqualitäten erlernen darf. Führung wird in einer komplexer werdenden Welt sowieso weniger patriarchalisch und mehr feminin werden. Im Moment lassen die Organisationen nach wie vor dem verstandesbetonten Denken viel zu viel Raum. Emotionen und vor allem die Intuition kommen viel zu kurz oder werden nur unbewusst ausgelebt. Das bringen Frauen wahrscheinlich intensiv ein. Diese Geschlechterdiversität bereichert mit Sicherheit wirtschaftliche und politische Organisationskörper.

Der größte Stolperstein für die Gleichverteilung von Einfluss und Geld liegt vielleicht gar nicht in der Machtgier der Machos, sondern im Aufgeben des Selbstdarstellungsbedürfnisses. Ob genetisch oder sozialisiert: Sich wichtigzumachen und Überheblichkeit fußen ja meist auf narzisstischen Kränkungen im Kindesalter. Jemand, der jahrelang verächtlich behandelt wurde, versucht später so weit wie möglich nach oben zu kommen. Um für Anfeindungen unerreichbar zu werden. Die dünne Ego-Ausstattung wird mit Grandiosität überspielt. Das gilt für diktatorische Machthaber ebenso wie für mittlere Management-Schauspieler.

Was den Machern fehlt

Es braucht eine gute Selbstreflexion, vielleicht eine Psychotherapie, um jene Eigenliebe zu entwickeln, die den meisten masochistischen Machern fehlt. Erst dann können sie loslassen und neben sich eine weise Frau ertragen, die ihnen die halbe Arbeitslast abnimmt. Und natürlich auch das halbe Geld. Zum Ausgleich dafür gibt es mehr Freizeit, bessere Lebenspartnerschaften, eine gesündere Psychohygiene, die Genugtuung, fair zu leben, die Freude an doppelter Kraft beim täglichen Wirken, gesünderen Zugang zu den Kindern, Vermeidung von Gesundheitsrisken beziehungsweise Burnout, mehr Chancen auf Bildungskarenz und Sabbaticals, vielleicht mal eine Weltreise oder wenigstens fünf Wochen Urlaub am Stück.

Außerdem minimieren sich die Intrigen, die angeblich 40 Prozent der Arbeitszeit ausmachen. Das ist ja reine Zeitverschwendung. Wenn sich die beiden je 25 Wochenstunden einsetzen, geht viel mehr weiter, und gleichzeitig wird die unerträgliche Doppelbelastung durch Familie und Karriere bei den Frauen gedämpft. Geteiltes Leid wird zur doppelten Freud, weil gemeinsames Arbeiten mehr Spaß macht als einsames Management.

Empfehlung an Männer

Zur Umsetzung dieser Utopie braucht es nicht einmal gesetzliche Regelungen. Das könnte jeder Mann für sich selbst entscheiden. Ganz ängstlichen und seelisch nicht so reifen Männlein ist empfohlen, sich eine Stellvertreterin (aber keine Assistentin!) im Geheimen zu suchen, sozusagen eine "Ghostworkerin", und mit ihr das Nettogehalt 50 zu 50 zu teilen. In Zeiten des Homeoffice ist ja kaum nachvollziehbar, wer gerade arbeitet.

Es wäre höchst interessant zu beobachten, wie sich unser Wirtschaftssystem und das Politikszenario ändern, wenn sich die Idee durchsetzt. Ich behaupte: Wenn so eine Absolutquote weltweit kommt, wird unsere wilde Welt innerhalb kurzer Zeit sehr friedlich und viel kompletter als bisher. (Othmar Hill, 8.3.2017)