Wien – Wer bei Google die Suchbegriffe "Studenten" und "Zukunft" eingibt, bekommt Zukunftsangst. Nicht nur weil die Suchmaschine aus "Zukunft" automatisch den Begriff "Zukunftsangst" bildet, sondern auch ob des Eindrucks, den man von einer Generation bekommen kann. Ein Abriss: Jeder zweite Student fühlt sich überdurchschnittlich gestresst, fand eine Studie einer deutschen Krankenkasse heraus. Um dem gewaltigen Leistungsdruck standzuhalten, würden immer mehr Studierende zu leistungssteigernden Präparaten greifen. Immer mehr leiden an Depressionen. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Unis eher einem Krankenhaus ähneln als Orten der Wissenschaft und des Fortschritts. Der STANDARD hat unter Studierenden nachgefragt und versucht den Problemen und Plänen einer Generation nachzuspüren.

Alina Jensac, studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement: "Dinge, die selbstverständlich sind, sollten wieder wertgeschätzt werden, Essen zum Beispiel. Das passiert viel zu oft einfach nebenbei. Wenn man die landwirtschaftlichen Betriebe und die Produktionsketten vermehrt für interessierte Menschen öffnen würde, würde da ein ganz neues Bewusstsein entstehen."
Foto: David Tiefenthaler

Alina Jensac (25), die an der Universität für Bodenkultur studiert, sieht sich selbst und ihre Studienkollegen durchaus von Zukunftsängsten geprägt: "Eine gewisse Unsicherheit ist da. Das Studium ist so breit gefächert, dass man in jede Richtung gehen kann." Wenn man sich den Wettbewerb um Praktika ansehe, entstehe außerdem der Eindruck, dass Jobs eine absolute Mangelware seien, sagt Jensac.

"Was willst du machen?"

Besonders in den Geistes- und Sozialwissenschaften müssen sich Studierende häufig mit der Frage "Und was willst du damit einmal machen?" herumschlagen. Julia Würzl studiert Europäische Ethnologie und kennt das Problem: "Auch wenn das Studium keinen bestimmten Job fixiert und gesagt wird, dass die Jobaussichten denkbar schlecht sind, sehe ich das Studieren als große Bereicherung." Reflexion und kritischem Denken, was in vielen Studien zu kurz komme, würde hier viel Platz gegeben. "Man kommt drauf, dass Fragen manchmal wichtiger sein können als Antworten", meint sie. Für Florian Reza, der an der Wirtschaftsuni studiert, war so manches Seminar auch ernüchternd: "Viele schauen nicht nach links und rechts, sondern studieren nach dem Leitfaden. Dafür ist ein Studium nicht da."

Florian Reza, studiert Betriebswirtschaftslehre: "In Supermärkten werden nach wie vor zu viele Lebensmittel aussortiert und weggeworfen.
Ich will Möglichkeiten finden, das zu reduzieren. Das Problem sehen viele, aktiv getan wird aber wenig. Dabei könnten schon kleine Schritte etwas bewirken, wie etwa die Akzeptanz für optisch nicht perfekte Produkte."
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Wie ein Studium die Sicht auf die Welt verändern kann, beschäftigt die Bildungswissenschaftsstudentin Ulrike Rohrbach besonders. "Wenn ich heute über meine Schulzeit nachdenke, dann fallen mir unzählige Dinge ein, die man anders machen sollte." Man schaffe sich ein völlig anderes Problembewusstsein, so die 24-Jährige: "Wenn ein Kind in der Schule keine Hausaufgaben schreibt, dann kann das viele Gründe haben. Dass es einfach keine Lust hatte, ist die einfache Antwort vieler Lehrer."

Ulrike Rohrbach, studiert Bildungswissenschaft: "In meiner Zukunftsvision wird die Technologisierung der Welt viele Arbeiten obsolet machen. Dadurch wird sich die Arbeitszeit drastisch verkürzen, vielleicht ist es überhaupt das Ende der Lohnarbeit, wie wir sie kennen. Die freien Kapazitäten können im Bildungssektor verwendet werden, wo man wirklich Menschen braucht."
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Einfach machen würden es sich auch viele Studierende, wenn es um die Zukunft geht, sagt Würzl etwas selbstkritisch. "Jeder versucht heute, seinen eigenen Lebenstraum zu verwirklichen." Es fehle an den größeren Konzepten für die ganze Gesellschaft, die man mit der eigenen Utopie verbinden kann. "Der Schritt zum Wir wird nicht mehr gemacht."

Julia Würzl, studiert Europäische Ethnologie: "Anti-Aging-Produkte und der Zwang, jung zu bleiben, regen mich auf. Altwerden und Altsein sollten schöne Dinge sein. Es gibt einen Spalt zwischen den Generationen, als junger hat man mit alten Menschen, abgesehen von den Großeltern, kaum zu tun. Alte und Junge zusammenzubringen würde der Gesellschaft enorm helfen."
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(David Tiefenthaler, 9.3.2017)