Die Regeln und Geflogenheiten an der Universität können besonders jene überfordern, die als Erste in ihrer Familie an der Uni studieren.

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Wien – Die Universität als fremde Welt: Für viele Studienanfänger kann die Hochschule am Anfang ganz schön verwirrend sein. "Die Hochschule ist für viele eine fremde Welt, in der man sich zuerst einmal zurechtfinden muss", erklärt Martha Eckl von der Arbeiterkammer Wien. In diesem Zusammenhang sind nicht nur die formalen Regelungen relevant – zum Beispiel, dass es etwa bei Vorlesungen oft keine Anwesenheitspflicht gibt, bei Seminaren jedoch schon – sondern auch viele informelle Redens- und Verhaltensweisen, die abschreckend wirken können.

Unbekannte Begriffe

Für manche Studienanfänger ist diese neue Umgebung allerdings vertrauter als für andere: "Wenn man in der Familie keine Akademiker oder Vorbilder hat, kann es zu verschiedenen Problemen kommen", sagt Eckl. Viele sehen sich durch die Tatsache, dass sie die erste Generation sind, die eine Hochschule besucht, im universitären Rahmen mit einer neuen begrifflichen Welt konfrontiert. Diese kann überfordernd sein. "Viele wissen am Anfang nicht, was ECTS oder Bologna überhaupt bedeuten soll", sagt Eckl.

Tatsächlich wirken sich die fehlenden Vorbilder auch auf die Verteilung der sozialen Herkunft unter Studienanfängern aus: 28 Prozent aller Studienanfänger haben laut der Studierendensozialerhebung 2015 einen Elternteil mit Hochschulabschluss – das sind überproportional viele im Vergleich zur Gesamtheit der Elterngeneration. 22 Prozent aller Väter von Studienanfängern besitzen einen Hochschulabschluss, während lediglich zwölf Prozent der Väter in der gesamten Elterngeneration, also allen 40- bis 65-Jährigen, Akademiker sind.

Die Arbeiterkammer will deswegen gezielt jene Studienanfänger ansprechen, die aus Familien ohne akademischen Hintergrund stammen, und hat dafür kürzlich eigens eine kurze Broschüre produziert. Die Grundlage dafür bildeten vor allem die Gespräche, die die Arbeiterkammer im Zuge ihrer Beratungstätigkeiten mit sogenannten "First Academis" führte.

Wichtig sei etwa, so früh wie möglich Netzwerke an der Hochschule und dadurch auch Rückhalt zu finden: "Einsames Studieren beinhaltet ein großes Frustpotenzial", sagt Eckl. Nicht zuletzt gebe es auch oft Vorbehalte aus dem Freundeskreis. Es können Zweifel aufkommen, ob ein Studium das Richtige sei. "Man darf sich nicht verunsichern lassen."

Ein großes Gefahrenpotenzial beinhalten auch verpatzte Prüfungen: Bei jemanden, dessen Weg nicht immer schon an einer Hochschule vorgezeichnet war, entwickeln sich in solchen Phasen oft große Unsicherheiten. Viele würden schnell dazu tendieren, das Studium im Gesamten infrage zu stellen, sagt Eckl.

Den eigenen Weg finden

"Wir wissen von vielen, die sich einen viel zu strengen Stundenplan gestalten. Dabei muss man sich in Erinnerung rufen, dass die durchschnittliche Studiendauer die Mindeststudiendauer meist übersteigt", sagt Eckl. Zwar sind jene 28 Prozent der Studienanfänger mit familiär-akademischem Background anteilsmäßig klar im Vorteil. Es bedeutet jedoch auch, dass 72 Prozent aller Studienanfänger potenzielle Bildungsaufsteiger sind. Um diesen Anteil zu erhöhen, seien die Universitäten gefordert, sagt Eckl: "Es gilt, diese Gruppe zu ermutigen und nicht noch mehr abzuschrecken." (Vanessa Gaigg, 10.3.2017)