Der Mobile World Congress ist vorüber und die Tech-Show in Barcelona diente, wie erwartet, als Startrampe für eine Reihe neuer Spitzensmartphones. Auch Huawei lockt mit einem neuen Angebot. Die auf Design und "Lifestyle" ausgerichtete P-Serie erhält mit dem P10 und P10 Plus neue Ableger. Der WebStandard hat das P10 in einem Test auf seine Qualitäten abgeklopft.

Bei den Größenverältnissen hat sich nicht viel verändert. Mit 145 x 69 x 7 Millimeter ist das P10 minimal länger und knapp einen Millimeter schmäler als sein Vorgänger. Das Display fällt mit 5,1 Zoll (statt 5,2) ein wenig kleiner aus. Die Auflösung, 1.920 x 1.080 Pixel, hat sich nicht geändert.

Foto: derStandard.at/Pichler

Weniger kantig

In ästhetischer Hinsicht hat Huawei seinem Handy ein wenig die Kantigkeit genommen. Mit deutlich stärker abgerundeten Ecken – und auch der restlichen Gestaltung – nähert man sich merklich Apples iPhone an. Wobei natürlich einschränkend zu sagen ist, dass der Spielraum für jährlich aufgefrischte Designs bei einem grundsätzlich rechteckigen Produkt mit großem Bildschirm enden wollend ist.

An der Verarbeitung gibt es nichts auszusetzen. Die Hardware steckt in einem Metallkleid, dessen Einheitlichkeit rückseitig nur von den Antennenstreifen und dem flach anliegenden Kamerasegment unterbrochen wird. Lautsprecher, Kopfhörerklinke und USB-C-Stecker (USB 2.0) sind am unteren Rand angebracht. Lautstärkewippe und Ein/Aus-Schalter finden sich rechts. Unter dem Bildschirm sitzt ein Fingerabdruckscanner.

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Meist einhändig bedienbar

Die Rückseite ist leicht angeraut, die Ränder etwas abgerundet. Das P10 liegt gut in der Hand. Wenngleich es nicht so "schlüpfrig" ist, wie so manches vollverglastes Smartphone, ist dennoch Vorsicht angebracht. Es gibt ein erhöhtes Risiko, dass einem das Gerät aus der Hand rutscht, wenn man zu unachtsam damit hantiert.

Was gleich zum nächsten Stichwort führt: Dank der kompakten Maße lässt sich das Telefon in vielen Szenarien einhändig verwenden, sofern man nicht sehr kleine Hände hat. Das Display selbst ist gut und farbenfroh, hätte allerdings eine höhere maximale Helligkeit und vertragen können.

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Ausstattung

Beim Innenleben hat sich mehr getan. Statt des Kirin 955-Prozessors darf hier nun der Kirin 960 arbeiten, der mehr Rechenleistung und eine stärkere Grafikeinheit mitbringt. In Sachen Onboardspeicher kann man weiterhin zwischen einer 32-GB- und 64-GB-Ausführung wählen, eine Erweiterung ist per microSD-Karte möglich, die aber bei der DualSIM-Variante des Handys den zweiten SIM-Slot beansprucht. Beide Größenvarianten des P10 kommen nun mit vier GB RAM.

Das am Papier auffälligste Upgrade hat die Kameraausstattung erhalten. Wo letztes Jahr noch zwei 12-Megapixel-Sensoren ihren Dienst verrichtet haben, wurde einer davon heuer mit einem 20-Megapixel-Modul ersetzt. Außerdem wird der duale Autofokus (Laser und Phase Detection) nun von einem optischen Bildstabilisations-System unterstützt. Die Frontkamera operiert weiterhin mit acht Megapixel, fängt nun aber mehr Licht ein (f/1.9 statt f/2.4).

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Beim Kommunikationsarsenal wird der gängige Standard für Smartphone-Flaggschiffe abgedeckt. Es gibt LTE-Zugang, WLAN nach 802.11ac-Standard, Bluetooth 4.2 und NFC. Das Handy existiert in SingleSIM- und DualSIM-Ausführung. Die Akkukapazität hat Huawei zum P9 gesteigert, 3.200 mAh fasst der fest verbaute Energiespeicher nun statt 3.000 mAh. Vorinstalliert ist Android 7.0 "Nougat" mit angepasster "EMUI 5.1"-Oberfläche.

Benchmarks

Wie üblich wurde das Gerät durch gängige Benchmarks gequält. Beim Allroundtest mit Antutu kommt das P10 auf rund 146.000 Zähler, womit es zwischen dem iPhone 6s Plus und dem OnePlus 3 einordnet. Beim Grafikdurchlauf mit 3D Mark (Slingshot Extreme) zeigt sich, dass der Kirin 960 sich bei hoher visueller Beanspruchung den aktuellen Chips von Samsung und Qualcomm klar geschlagen geben muss.

Die allermeisten Games sollten aber ohne Einschränkungen flüssig laufen, besonders aufwändige Spiele möglicherweise aber nur mit verringerten Grafikeinstellungen. Beim Browsertest mit Vellamo (Chrome, 5.700 Punkte) hält das P10 hingegen gut mit.

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Ordentliche Performance

Im Alltag übersetzt sich das in flüssige Performance in den Systemmenüs bei allen gängigen Tätigkeiten. Egal ob Youtube, Browser oder "Pokémon Go", das P10 zeigt keine Leistungseinbußen, selbst wenn zahlreiche Apps gleichzeitig laufen. Ganz kurze Aussetzer sind, subjektiv, hin und wieder beim Wechsel zwischen zwei Programmen zu merken.

Mittlerweile hat Huawei auch ein Ärgernis seiner in vielen Aspekten stark an iOS erinnernden EMUI-Oberfläche beseitigt. Wer möchte, muss nicht mehr die Icons zu allen Apps über seine Homescreens verstreuen, sondern kann einen Appdrawer aktivieren, der fortan in der Mitte der Navigationszeile verweilt und zur Übersicht aller installierten Anwendungen führt. Wie üblich kann die Oberfläche auch in Sachen Farbgebung und Icons angepasst werden.

Huaweis Oberfläche verfügt nun – endlich – über einen zuschaltbaren Appdrawer.
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Verlässlicher Fingerabdruckscanner

Mit Zusatzanwendungen von Drittanbietern hält sich Huawei glücklicherweise zurück, vorinstalliert waren auf dem Testgerät hier nur Booking.com und Tripadvisor. Allerdings liefert man einige Eigenvarianten von Standard-Apps wie dem Kontaktmanager, die keinen ersichtlichen Mehrwert bieten.

Weitgehend gelungen ist die Implementation des Fingerabdruckscanners. Dieser entsperrt nicht nur das Handy flott und sehr zuverlässig, sondern kann auch zur Absicherung des Starts bestimmter Apps verwendet werden. Als Homebutton lässt er sich zusätzlich zur Navigationsleiste allerdings nicht nutzen. Man kann lediglich auf einen Modus umstellen, in dem man anstelle der Onscreentasten Wisch- und Tippgesten auf dem Sensorfeld ausführt, was zumindest anfangs sehr gewöhnungsbedürftig ist.

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Kamera

Großes Augenmerkt verdient sich die Kamera, zumal auch Huawei bei der Vermarktung des P10 mit ihren Qualitäten wirbt. Und in der Tat ist ein Fortschritt gelungen. Fotos lassen sich flott knipsen. Abgebildete Farben sind natürlich und kontraststark gehalten. Einzig das Blau des Himmels fällt gelegentlich einen Tick zu intensiv auf.

Überhaupt empfiehlt es sich, die automatische Nachbesserung etwas zu drosseln, was über die Kamera-App auch möglich ist. Denn sonst werden Aufnahmen gerne einmal zu stark nachgeschärft, was zu einer Überbetonung kleinerer Strukturen und somit zu einer Verschlechterung der Bildqualität führen kann. Der abgebildete Detailgrad von Aufnahmen ist im Vergleich zum P9 höher geworden, was auch an der Erhöhung der Auflösung von einem der beiden Kamerasensoren liegen dürfte.

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Zoomfunktion

Eine sinnvolle (und eigentlich überfällige) Addition ist der optische Bildstabilisator. Er ermöglicht generell und insbesondere bei schlechter werdenden Lichtverhältnissen das Aufnehmen schärferer Bilder. Er ist zudem essentiell für den neuen Zweifach-Zoom, der über die Kombination beider Kameras ermöglicht wird. Dieser ist zwar – wie schon beim iPhone 7 Plus – nicht völlig verlustfrei, aber ein klarer Fortschritt zum üblichen Verfahren, in dem faktisch die Pixel des Bildes nur extrapoliert werden.

Ebenfalls gut gelingen Makroaufnahmen, da das Handy auch bei recht knappen Abstand noch scharfstellen kann. Das Dualcam-System produziert dabei einen ansehnlichen, künstlichen Tiefenunschärfe-Effekt (Bokeh). In übersteigerter Form – freilich Geschmackssache – wird dieser im Porträtmodus eingesetzt. Videos können in Full-HD (30 und 60 Bilder pro Sekunde) und auch 4K (30 Bilder pro Sekunde) aufgenommen werden.

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Die Frontkamera profitiert hingegen von ihrem lichtstärkeren Objektiv. Selbst in etwas dunkleren Innenräumen und unter Kunstlicht gelingen damit Selfies an ansprechender Qualität. Insgesamt liefert das P10 unter vielen Bedingungen gute Fotos, kann sich aber mit Konkurrenten wie Samsungs Galaxy S7 oder Apples iPhone 7 Plus um das sprichwörtliche "Eitzerl" nicht messen. Andere hingegen, etwa das OnePlus 3T, sticht man im direkten Vergleich aus.

Schwachpunkt Akku

Eher durchschnittlich schlägt sich der Akku. Wird das Smartphone etwas stärker beansprucht, sieht man die Prozent flott purzeln. Sogenannte "Heavy User" dürften am Ende ihres Arbeitstages wohl dringenden Aufladebedarf haben.

Wer sein Handy mit üblichem Bedarf (Browsern, Messaging, Musik und die gelegentliche Spiele-App) beansprucht, sollte noch etwas Reserven haben. Immerhin, dank Schnellade-Kompatibilität lässt er sich im besten Fall binnen 30 Minuten von null auf 44 Prozent laden.

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Empfang und Akustik

Bei der Grundausstattung leistet sich Huawei keinen Schnitzer. Der Empfang von mobilem Internet und WLAN ist gut. Das gilt auch für die Sprachqualität: Das Gegenüber ist klar und deutlich zu verstehen und auch eigene Gesprächsbeiträge kommen gut an. Gelegentliche Verzerrungen dürften dem Übertragungsweg und nicht der Ausstattung des Handys geschuldet sein.

Überdurchschnittlich für das Smartphone-Segment klingt der integrierte Lautsprecher, der auch ansprechendes Klangvolumen mitbringt. Voll aufdrehen sollte man allerdings nicht, da Höhen und Bässe sonst leicht zu "scheppern" beginnen. Keinen Grund zur Klage liefert die Audiowiedergabe über die Klinkenbuchse.

Fazit

Huawei bietet mit dem P10 ein gutes Gesamtpaket. Wirklich bemerkbarer und im Alltag relevanter Fortschritt wurde allerdings ausschließlich bei der Kameraausstattung erzielt, die von einem besserem Hauptsensor und optischer Bildstabilisierung klar profitiert. Die restlichen Verbesserungen fallen unter die Kategorie "erwartbar". In Sachen Akkuleistung gibt es Optimierungsbedarf, es bleibt abzuwarten ob künftige Softwareupdates hier Besserung bringen.

Leistungsmäßig hält das Handy mit der absoluten Spitze nicht ganz mit, allerdings setzt Huawei den Preis mit 599 Euro im Vergleich mit Apple und Samsung auch niedriger an. Wer schon ein Flaggschiff aus den beiden Vorjahren hat, findet abseits der Kamera wenig Grund, jetzt schon umzusteigen. Wer auf der Suche nach einem ordentlich ausgestatteten Alltagsbegleiter mit Fokus auf schöne Fotoqualität und besondere Kamerafunktionen legt, darf dem P10 guten Gewissens eine Chance geben. (Georg Pichler, 12.03.2017)

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Vergleich: normale Aufnahme vs. 2x Zoom
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