Forscher konnten nachweisen, dass die bei Übergewicht häufig auftretenden Entzündungsreaktionen die Umwandlung der weißen in braune Fettzellen blockieren. Möglicherweise gibt es aber einen Ansatzpunkt, diese Hemmung zu umgehen.

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Bonn – Die WHO zeigt sich besorgt: 640 Millionen Menschen sind weltweit übergewichtig oder adipös, davon mindestens 41 Millionen Mädchen und Buben unter fünf Jahren. Das verursache enorme Gesundheitskosten durch Diabetes Typ 2 oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Wissenschafter der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn beschäftigen sich deshalb schon länger mit dem Traum, überflüssige Kilos einfach wegschmelzen zu lassen. Dieser Vision sind sie in früheren Studien bereits ein Stück näher gerückt: Die Forscher konnten an Mäusen zeigen, dass sich unerwünschte weiße Fettzellen in energiezehrende braune Schlankmacherzellen umwandeln lassen.

Der Mechanismus dahinter: Braune Zellen verfügen über extrem viele Mitochondrien. Diese Zellkraftwerke "verbrennen" weißes Fett, indem sie es in Wärmeenergie umwandeln. Stieg die Zahl brauner Zellen, verloren die Mäuse deutlich an Gewicht.

Fettverbrennungsturbo ankurbeln

Bei dieser Fettumwandlung spielt der Signalweg des Botenstoffs cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) eine wichtige Rolle. "Die erwünschten braunen Fettzellen sind auf cGMP angewiesen", erläutert Studienleiter Alexander Pfeifer vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Uni Bonn. Wie die Forscher in verschiedenen Studien an Mäusen zeigen konnten, lässt sich etwa mit dem Wirkstoff Sildenafil – eine gefäßerweiternde Substanz, die auch in Viagra enthalten ist – die Zahl der weißen Fettzellen zugunsten der braunen reduzieren und damit die Fettverbrennung wie mit einem Turbo ankurbeln.

In ihrer aktuellen Untersuchung fanden die Wissenschafter heraus, warum es trotzdem schwierig ist, dass Menschen ihr Bauch- und Hüftgold wieder loswerden. Für ihre Studie verabreichten sie Mäusen eine besonders kalorienreiche Diät. Anschließend untersuchten sie die Veränderungen im Fettgewebe der Tiere. Während es im Unterhautfett der adipösen Mäuse kaum zu Entzündungen kam und der cGMP-Signalweg weitgehend intakt war, sah dies beim tiefer sitzenden Bauchfett ganz anders aus: Durch die starke Gewichtszunahme hatten sich entzündliche Prozesse ausgebreitet, und der Fettverbrennungsturbo cGMP war weitgehend zum Erliegen gekommen.

Dieses Phänomen ist in zweifacher Hinsicht ein Problem: Das Bauchfett gilt im Vergleich zum Unterhautfett als deutlich gefährlicher, weil es Entzündungen auslösen und etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern kann. Zudem wird so auch das für die Fettverbrennung wichtige cGMP weitgehend blockiert.

Hoffnung auf Therapie

Die Forscher fragten sich deshalb, ob sich diese Blockade wieder lösen lässt. Dazu untersuchten sie, auf welche Weise die Entzündungen den cGMP-Signalweg hemmen. "Der Tumornekrosefaktor alpha (TNFalpha) spielt hier eine wichtige Rolle", berichtet Abhishek Sanyal, Erstautor der Studie. "Der Entzündungsfaktor TNFalpha unterdrückt den cGMP-Signalweg und verhindert damit, dass sich weiße in braune Fettzellen umwandeln lassen."

Dass dieser Mechanismus nicht nur bei Mäusen, sondern auch beim Menschen abläuft, konnten die Bonner Forscher mit Kollegen aus Leipzig und Stockholm bereits an humanen Unterhaut- und Bauchfettproben nachweisen. Es gibt trotzdem Grund zur Hoffnung: "Bei der Bekämpfung von Adipositas könnte es ein möglicher Ansatzpunkt sein, neben der Verabreichung von cGMP-stimulierenden Wirkstoffen gleichzeitig noch die Entzündungsreaktionen zu hemmen", so die Forscher. (red, 12.3.2017)