Alle Macht geht vom Handy aus: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache samt Mobiltelefon im Hohen Haus.

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Die FPÖ hat mithilfe von Facebook und anderen digitalen Kommunikationsplattformen eine Gegenöffentlichkeit geschaffen, die höchst erfolgreich motiviert, mobilisiert und verzerrt. Der Beinahe-Erfolg von Norbert Hofer bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl im vergangenen Jahr wäre ohne die von der FPÖ produzierte mediale Gegenwelt gar nicht vorstellbar. Lange wurde das FPÖ-TV oder der Kanal Österreich zuerst von Medienprofis belächelt. Doch seit der knappen Niederlage Hofers auf seinem Weg zum ersten rechtspopulistischen Staatsoberhaupt in Westeuropa ist das anders. Die FPÖ ist innerhalb der politischen Rechten in Europa heute zum besten Beispiel für den erfolgreichen Einsatz der sozialen Medien aufgestiegen.

Der Erfolg kam freilich nicht über Nacht. Die Freiheitlichen haben über Jahre ihre alternativen Medienkanäle zielstrebig und erfolgreich entwickelt. Die Partei hat längst eine mediale Parallelwelt in den sozialen Netzwerken geschaffen. In diesem eigenen Kosmos können sich ihre Anhänger in ihren Haltungen permanent bestärken und andere Teile der Gesellschaft ausgrenzen. Die FPÖ hat eine aktive Community im Netz geschaffen, von der SPÖ und ÖVP bislang nur träumen können.

Die Freiheitlichen in Österreich haben als Erste die gewaltigen Möglichkeiten der sozialen Netzwerke erkannt und für ihre Zwecke umgesetzt. Über Facebook und Twitter betreuen sie nicht nur ihre Gemeinschaft, sondern steuern auch die öffentliche Diskussion mit gezielten Provokationen und bei Bedarf mit Tabubrüchen. Sie wissen, dass die Möglichkeiten in Zukunft außerhalb der klassischen Medien sogar noch wachsen werden. Denn Facebook legt über mobile Nutzung rasant zu.

Von den insgesamt 1,9 Milliarden Facebook-Usern nutzen nach Konzernangaben rund eine Milliarde Menschen Facebook nur noch über das Smartphone. Tendenz weiter stark steigend. Mittlerweile erzielt der Konzern aus dem kalifornischen Menlo Park vier Fünftel seiner Erlöse mit der Werbung auf dem Handy. Die Facebook-Tochter Instagram, ein soziales Netzwerk zum Teilen von Fotos und Videos, und der Instant-Messaging-Dienst Whatsapp kommen auf eine halbe Milliarde bzw. auf über eine Milliarde Nutzer. Facebook ist ökonomisch ein Gigant. In einem Quartal erzielt der Konzern von Mark Zuckerberg fast die Hälfte des Jahreserlöses der OMV, Österreichs größtem Konzern. Allein in Österreich zahlt Facebook mittlerweile 3,7 Millionen Nutzer. Das heißt, mehr als jeder Dritte nutzt das soziale Netzwerk aus dem Silicon Valley.

Und die FPÖ weiß diesen Kanal mit einer Mischung aus Information, Demagogie und Privatheit zu bespielen, was ihre Community konsequent in ihrer politischen Haltung stärkt. Während die Regierungsparteien überwiegend noch glauben, über eine enge Allianz mit den Massenblättern Kronen Zeitung und Österreich ihre Zielgruppe zu erreichen, ist die FPÖ medial längst weiter. Sie spielt nahezu perfekt auf der Klaviatur des digitalen Medienzeitalters.

Mit ihrer Medienstrategie sind die österreichischen Rechtspopulisten zum Vorbild der rechten Parteien in Europa, wie beispielsweise der Alternative für Deutschland (AfD), aufgestiegen. Denn der Erfolg der Freiheitlichen ist gewaltig. Der Wahlkampf-Rapsong Steht auf, wenn ihr für HC seid - gemeint ist FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache – zur Parlamentswahl 2013 hat es bereits auf über 1,2 Millionen Abrufe bei Youtube geschafft.

Auf Facebook hat der Chef der Freiheitlichen rund eine halbe Million "Gefällt mir" gesammelt. Davon ist Bundeskanzler Christian Kern trotz seines verstärkten Engagements in den sozialen Netzwerken mit knapp 152.000 "Likes" noch weit entfernt.

Die Rechtspopulisten in Europa haben damit das geschafft, was den Linken nie gelang. In den 1970er- und 1980er-Jahren sprossen überall linke Stadtzeitungen und alternative Zeitschriften aus dem Boden. Sie waren sozusagen die mediale Speerspitze der linken Gegenöffentlichkeit. Den etablierten Medien schlugen schon damals Misstrauen und oftmals die Ablehnung der Linken entgegen. Verschwörungstheorien um Konzerne zur Erklärung komplexer Zusammenhänge hatten Hochkonjunktur. Mithilfe dieser Gegenöffentlichkeit hatte es später die neue Partei der Grünen in Zeiten der Antiatom- und Friedensbewegung leicht, Zugang zu ihren Unterstützern und Wählern zu finden. Die klassischen Medien, welche die neue Partei in ihrer Anfangszeit oftmals links liegen ließen, spielten damals nur eine Nebenrolle.

Die linke Gegenöffentlichkeit und die damalige Antipartei der Grünen bildeten eine erfolgreiche Symbiose, welche die Grünen letzten Endes bis in die Etagen der politischen Macht in Österreich und Deutschland hievte. (Hans-Peter Siebenhaar, 9.3.2017)