Es gibt Themen, die in der Wahrnehmung der Menschen nur am Rande vorkommen, auch wenn sie alle betreffen. Gesundheitspolitik gilt als unsexy und kompliziert. Dass aber das Wiener Spitalswesen und die Umstrukturierungen der Dienstzeitmodelle in den vergangenen Jahren doch sehr hitzig und breit diskutiert wurden, hat Gernot Rainer mitverantwortet. Der Lungenfacharzt, der am Otto-Wagner-Spital arbeitete, konnte die Pläne seines Arbeitgebers dem Wiener Krankenanstaltenverbund, die eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit, aber keine Aufstockung des Personals vorsahen, nicht nachvollziehen. Er warnte öffentlich vor einer Verschlechterung der Versorgung. Und weil er sich von der Gewerkschaft schlecht vertreten fühlte, nahm er den Arbeitskampf selbst in die Hand und gründete eine eigene Interessensvertretung. Medienaffin und eloquent vertrat er die Anliegen der Wiener Ärzte, sein Arbeitgeber hatte weniger Freude damit, sein Vertrag wurde nicht verlängert.

Der Arzt klagte, ein Urteil ist noch ausständig. Nun hat Rainer seine Gedanken über das österreichische Gesundheitssystem niedergeschrieben. Als Gesundheitsrebell wird er vom Verlag angepriesen. Nun ja, der "Rebell" zeigt auf, was seiner Meinung nach falsch läuft. Er schreibt, dass der Mensch wieder mehr in den Mittelpunkt der Medizin rücken soll. Dem wird niemand widersprechen, auch nicht die Controller und Consulter, die er als Feindbild des Gesundheitswesens bringt. Dem Mediziner gelingt es aber anhand von Beispielen, die vermutlich jeder aus seinem Bekanntenkreis kennt, die Widrigkeiten des Systems zu illustrieren. Seine Kritik ist jedenfalls berechtigt, auch ihm ist bewusst, dass es Einsparungspotenzial gibt. Und er kann sich der Zustimmung seiner Kollegen sicher sein, wenn er schreibt, es werde nur dort gespart, wo es am einfachsten geht – beim Personal. Doch Lösungsansätze, wie sich das System effizienter gestalten lässt, fallen im Verhältnis zur Kritik gering aus. (Marie-Theres Egyed, 10.3.2017)