Zoran Barisic hat eine Vorgabe, er muss den Klassenerhalt schaffen. Das ist durchaus wahrscheinlich.

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Das Logo des Vereins.

Karabük/Wien – Es gibt weit spektakulärere Städte als Karabük. Das überdimensionale Stahlwerk Kardemir ist fast schon das Wahrzeichen, eine Universität ist nicht zu verheimlichen, das Schwarze Meer erreicht man nach einer rund einstündigen Autofahrt. Nach Istanbul sind es vier Stunden, nach Ankara zwei. Karabük hat 110.000 Einwohner. Zoran Barisic ist seit knapp drei Wochen hier, am 16. Februar wurde er zum Cheftrainer von Karabükspor bestellt. Der 1969 gegründete Klub ist erst in die türkische Süper Lig aufgestiegen, das einzige Ziel ist der Klassenerhalt, man ist auf gutem Weg, liegt nach 23 von 34 Runden auf Platz zehn.

Barisic hat für eineinhalb Jahre unterschrieben, Präsident Hikmet Feridun Tankut ist ein Fußballverrückter, hat sich den 46-jährigen Wiener eingebildet. "Er wollte mich unbedingt, er war hartnäckig." Karabükspor ist aufgrund der späten Geburt noch kein Klassiker, die Farben sind rot und blau, das ist eine Umstellung, wenn man grün und weiß gewohnt ist. "Ein stolzer Arbeiterklub." Barisic meint nicht Rapid.

Die Leute sind nett, gastfreundlich, höflich, zuvorkommend. Barisic hütet sich, irgendetwas über die politische Situation, das angespannte Verhältnis zu Österreich oder Deutschland, die Launen des Herrn Erdoğan zu sagen. "Für mich geht es um Fußball. Ich bin Trainer, kein Politiker." Er hat eine Wohnung gleich neben dem Stadion bezogen. Das ist eher klein, hört auf den Namen Dr. Necmettin Şeyhoğlu, es fasst rund 12.000 Zuschauer. Zu den Spielen kommen circa 5000. Gastieren die großen Istanbuler Klubs wie Galatasaray, Besiktas oder Fenerbahce, sind es doppelt so viele. Wie hoch das Budget ist, weiß Barisic nicht, "das weiß wahrscheinlich keiner".

Die Premiere bescherte ein 1:0 daheim gegen Genclerbirligi, in der Vorwoche setzte es ein 0:1 bei Trabzonspor, am Samstag kommt Adanaspor. Barisic bevorzugt die offensive Spielweise, legt Wert auf Ballbesitz. Das ist in Karabük nur bedingt möglich. "Man muss sich und seine Philosophie anpassen, Kompromisse eingehen. Ich kann ja nicht von jemanden Dinge verlangen, die er nicht kann. Es geht nicht darum, was ich will, sonder darum, wie du gemeinsam das Optimum erreichst." Die ersten Eindrücke von der Süper Lig? "Hart, schnell."

Das Medieninteresse ist überschaubar, "nach dem Abschlusstraining gibt es auf dem Spielfeld eine kurze Pressekonferenz". Barisic hat zwei Assistenten mitgenommen, Norbert Schweitzer und Murat Topal. Der ist sozusagen das Sprachrohr. "Wir kommunizieren meist auf Englisch mit der Mannschaft, ich arbeite daran, meinen Wortschatz zu vergrößern."

Rückblick. Im Juni 2016 wurde Zoran Barisic von Vizemeister Rapid entlassen. Er versteht das bis heute nicht wirklich. "Es hat schon gedauert, den Schock zu verarbeiten. Ich habe reflektiert, mir Fragen gestellt, Antworten gesucht. Es machte schlussendlich keinen Sinn, zu jammern, du musst immer nach vorne schauen. Aber Rapid hat wehgetan."

Diverse Angebote sind eingetrudelt, manche waren relativ konkret, andere wiederum maximal vage. "Es ist kein Wunschkonzert, die Welt hat nicht auf mich gewartet." Zu Wacker Innsbruck wollte er nicht. "Mir ging es um den nächsten Schritt, der musste das Ausland sein. Denn in Österreich gibt es keine größere Herausforderung als Rapid."

Weiterentwicklung

Karabük sei also keine Flucht, sondern eine neue Erfahrung, eine Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln. "Es wäre lachhaft und arrogant, das als Sprungbrett zu bezeichnen. Ich muss mich hier beweisen. Das habe ich den türkischen Journalisten so vermittelt. Ich will ja keine Angriffsfläche bieten." Natürlich bekommt er die missliche Lage Rapids mit. "Die Spieler tun mir leid, sie brauchen dringend ein Erfolgserlebnis. Ich verspüre keine Genugtuung, das wäre mies." Barisic hat beschlossen, nicht mehr böse zu sein. "Die Trennung verlief letztendlich doch professionell, alles wurde sofort ausbezahlt, man kann sich ins Gesicht schauen. Ich war eben ein Teil des Mechanismus."

Fußball, sagt Barisic, könne man überall leben. Die Frage, ob Karabükspor eine Sehnsuchtsadresse ist, stellt sich nicht, weil man sie nicht stellen darf. Was ihm fehlt, sind Freunde, ist die Familie. Ganz kurz ist er am Schwarzen Meer gewesen. "Ich hatte kaum Zeit, der Fußball zählt." (Christian Hackl, 10.3.2017)