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Wer sein Geld diskret aus der Schweiz wegschaffen wollte, konnte im Jahr 2012 nach Österreich flüchten.

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Wien – Das österreichische Bankgeheimnis ist Geschichte. Doch die Nachwehen aus der Ära, als Diskretion das oberste Gebot der heimischen Geldhäuser war, lassen Österreich nicht los. Die Details einer parlamentarischen Anfragebeantwortung zeigen erstmals, wie tausende Österreicher im entscheidenden Moment, als ihnen die Enttarnung durch die Finanz im Ausland bevorstand, ihr Geld nach Hause holten.

Vermögen im Umfang von mehr als 3,3 Milliarden Euro wurden aus der Schweiz und aus Liechtenstein auf Privatkonten nach Österreich überwiesen. Nicht in allen, aber in vielen Fällen geschah dies allein in der Hoffnung, das österreichische Bankgeheimnis zu nutzen, um weiter Steuern zu hinterziehen, sagen Experten.

Fekter und Widmer-Schlumpf

Ausgangspunkt der Causa ist das Jahr 2012. Damals unterzeichnete im April Österreichs Finanzministerin Maria Fekter eine Vereinbarung mit ihrer Schweizer Amtskollegin Eveline Widmer-Schlumpf. Sie sah vor, unversteuertes Vermögen, das Österreicher über Jahrzehnte hinweg ins Nachbarland geschafft hatten, nachträglich zu besteuern. Der Vertrag trat Anfang 2013 in Kraft.

Mehr als eine Milliarde Euro spülte die Erfassung der Geheimkonten in die heimische Staatskasse.

Doch nach und nach mehrten sich Hinweise, dass etwas faul war. Vor Inkrafttreten der Vereinbarung mit Bern Anfang 2013 konnte jeder sein Geld aus der Schweiz wegschaffen. Zeit war genug. Schon bevor Fekter den Vertrag unterzeichnete, war bekannt, dass die beiden Länder miteinander verhandeln.

Steuerberater in Österreich erzählten 2013 immer wieder eine interessante Geschichte. Im Ausland lief der Kampf gegen Steuerhinterziehung damals auf Hochtouren. Immer mehr Staaten begannen, miteinander zu kooperieren und Steuerdaten von Bürgern auszutauschen. Doch in Österreich bot das Bankgeheimnis weiter hervorragenden Schutz vor einer Enttarnung. Die Finanz hatte de facto nur in ganz seltenen Fällen das Recht, Einschau in ein Konto zu nehmen.

Und so haben viele Steuerhinterzieher ihr Geld aus der Schweiz ausgerechnet wieder nach Hause gebracht – zu österreichischen Kreditinstituten. Wenig später spielte sich das Gleiche im Zuge eines Steuerabkommens mit Liechtenstein ab. Als Abschleicher bezeichnet die Finanz diese Gruppe der hartnäckigen Hinterzieher.

Vorerst entwischt

Nach spätestens zehn Jahren verjähren Abgabedelikte. "Die Hoffnung war, sich mit der Zeit ins Licht zu retten", sagt der Steuerberater Rainer Brandl von Leitner&Leitner über die Motive der Abschleicher. Hier könnte die Geschichte zu Ende sein.

Doch im Zuge der Steuerreform 2015 wurden die Abschleicher wieder zum Politikum. SPÖ, ÖVP und Grüne einigten sich auf ein Paket für mehr Steuertransparenz – das Bankgeheimnis wurde abgeschafft. Und die drei Parteien beschlossen ein Gesetz, wonach heimische Banken nachträglich an die Finanz melden müssen, wie viel Geld sie aus der Schweiz und aus Liechtenstein in den Monaten vor Inkrafttreten der Steuerabkommen erhielten. Der grüne Abgeordnete Bruno Rossmann, der wesentlich auf diese Offenlegung gedrängt hatte, wollte nun wissen, wie viel die Kreditinstitute gemeldet hatten.

DER STANDARD erhielt am Freitag Einblick in die frisch eingetroffene Antwort des Finanzministeriums. Vermögen im Umfang von mehr als 2,6 Milliarden Euro wurde demnach aus der Schweiz im heiklen Zeitraum "heimgeholt". Mehr als 700 Millionen Euro kamen aus Liechtenstein. Bemerkenswert ist, wie viele Meldungen es gab: Insgesamt wurde auf über 19.000 Konten und Depots Geld transferiert. Die Mehrzahl (15.345) kam aus der Schweiz.

Nicht jeder heimgeholte Euro ist Schwarzgeld. Das Finanzministerium prüft nach eigenen Angaben die Daten der Banken erst. Der Steuerberater Alexander Lang von Deloitte sagt, dass es auch Fälle geben wird, in denen Bürger mit Konten in der Schweiz und in Liechtenstein Selbstanzeige erstattet haben und schon reingewaschenes Geld nach Hause brachten. Auch in Grenzregionen in Vorarlberg mag es ganz natürliche Transfers geben.

Doch es gibt viele Anzeichen, dass ein beträchtlicher Teil der 3,3 Milliarden den Abschleichern zugeordnet werden kann, sagen die Steuerberater Rainer Brandl und Alexander Lang unisono.

So betrifft die Meldung von Zuflüssen nur Privat-, nicht Firmenkonten. Gemeldet wurden nur recht hohe Beträge über 50.000 Euro. Der Grün-Politiker Rossmann fordert eine rasche Klärung durch das Finanzministerium: "Alle Fälle müssen umgehend geprüft werden", sagt er. Es geht um viel: Im Schnitt, sagen Experten aus Basis von Erfahrungswerten, müssen zehn Prozent der Schweiz- und Liechtenstein-Vermögen als Steuern nachbezahlt werden. Bei 2,5 Milliarden Schwarzgeld wären das 250 Millionen.

Über ein Körberlgeld kann sich Finanzminister Hans Jörg Schelling jedenfalls schon freuen: Als Alternative zur Meldung konnten Abschleicher eine Strafzahlung in Höhe von 38 Prozent auf ihr heimgeholtes Vermögen akzeptieren. Rund 30 Millionen Euro wurden ans Finanzministerium aus diesem Posten bereits überwiesen. (András Szigetvari, 10.3.2017)