Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl hat den Konflikt zwischen der Türkei und Deutschland (bzw. den Niederlanden) für einen populistischen Vorstoß genützt. Man müsse die türkischen Doppelstaatsbürgerschaften auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Warum ist das populistisch? Weil Niessl keine generelle Prüfung von Doppelpässen (z. B. mithilfe von Stichproben) verlangt, sondern nur die der türkischen – aus einem durchsichtigen Grund: Er erhält Beifall von sehr vielen Türkei-Gegnern.

Was Niessl nicht erwähnt hat, sind die Kosten. Angeblich gibt es rund 100.000 dieser Doppelstaatsbürger. Ein in Kostenfragen derart erfahrener Mann wie der burgenländische Landeschef dürfte in Zeiten knappen Geldes solche Forderungen nicht erheben: Bei der Mindestsicherung für Flüchtlinge spart er, bei der Überprüfung von Türken nicht? Niessl redet fahrlässig.

Auch Sebastian Kurz agierte ähnlich, indem er zur Sanierung Europas eine Verkleinerung der EU-Kommission und der Brüsseler Bürokratie verlangt hat. Abgesehen davon, dass die Wiener Verwaltung größer ist als die der EU, frönt Kurz einem billigen Trick. "Weniger Beamte" ist eine populäre Position, das zu verlangen eine Uralt-Figur des Populismus.

Da auch Bundeskanzler Christian Kern vor allem in der Türkei-Frage immer öfter zu populistischen Positionen neigt, ist gleichzeitig ein Wettstreit zwischen dem Regierungschef und dem Außen- (Europa-)Minister entstanden. Seine Schärfe würzt nicht mehr den nötigen Abtausch sachlicher Argumente innerhalb der Regierung, er ist blanker Vorwahlkampf mit zwei Zielen: Wer schneidet besser in den Umfragen ab? Gelingt es, dem blauen Herausforderer Strache ein paar Prozentpunkte abzunehmen?

Darunter leidet die Regierungsarbeit enorm. Dazu kommen noch die Profilierungsversuche von Innenminister Wolfgang Sobotka. Ein Glück nur, dass es Vizekanzler Reinhold Mitterlehner offenbar gelungen ist, die Zahl der populistischen Ausfälle Reinhard Lopatkas stark zu reduzieren.

Da die Populisten sich stets auf eine nicht bezifferte schweigende Mehrheit zu stützen meinen (so der Populismusforscher Jan-Werner Müller), kollidieren sie in ihrem Hang zum Polarisieren mit einem wichtigen Prinzip der Aufgabenteilung: Minister haben zu regieren, Abgeordnete dürfen nach Lust und Laune polemisieren.

Eine Vermischung ist unzulässig. Einfach gesagt, schwer gelebt. Müller in seinem Buch Was ist Populismus (Suhrkamp): "Die Anforderungen an die politische Urteilskraft werden dadurch erhöht, dass Politiker, Parteien und Bewegungen zwischen Demokratie und Populismus changieren." Man sollte "das System der repräsentativen Demokratie trotz aller Fehler nicht leichtfertig abschreiben ... und das Feld den Populisten überlassen."

Regierungspolitiker, die ihr Mandat aus dem geltenden System und der Verfassung beziehen, sollten daher nicht durch populistische Eskapaden die Demokratie selbst infrage stellen. (Gerfried Sperl, 13.3.2017)