Rote Mütze, derbe Sprüche: Die österreichische Autorin und Zeichnerin Stefanie Sprengnagel ist gewissermaßen ein Gesamtkunstwerk – ob man ihre Kunst nun mag oder nicht. Wer sich in den sozialen Netzwerken bewegt, kam in den letzten Tagen kaum an ihr vorbei. Überhaupt war sie in den vergangenen Monaten medial so präsent, dass viele ihren Künstlernamen Stefanie Sargnagel mittlerweile für ihren echten Namen halten. Das lässt die Texte der Autorin auf sie als Privatperson zurückfallen. So geschehen auch bei jenem "Tagebuch", das Sprengnagel und zwei Schriftstellerkolleginnen im Rahmen einer Schreibreise in Marokko verfasst haben. Auszüge daraus wurden vorletztes Wochenende im STANDARD-Album publiziert.

Zwei der Autorinnen hatten für ihren Aufenthalt einen staatlichen Reisekostenzuschuss für die Recherche zu ihren neuen Büchern in der Höhe von je 750 Euro erhalten. In ihrem Text beschreiben die drei unter anderem, wie sie auf ihrer Dachterrasse Wein trinken und kiffen. Eine der Autorinnen schildert erkennbar ironisch zugespitzt, sie habe auf der Straße eine "Babykatze zur Seite getreten". Sargnagel selbst berichtet davon, wie sie mit Lippenstift, Minirock, ohne BH und "willig" auf der Straße unterwegs gewesen sei, was die marokkanischen Männer aber nicht sonderlich beeindruckt habe. Sie kommt zu dem Urteil, dass der "Kölner Hauptbahnhof echt zu viel versprochen" habe.

Mordaufrufe in den Sozialen Medien

Diese Passagen nimmt die "Kronen Zeitung" zum Anlass, um eine Menschenhatz gegen Stefanie Sprengnagel zu veranstalten. Der Chefredakteur der Online-"Krone" skandalisierte den "Katzentreter" genüsslich in den sozialen Medien. In der Kärntner Ausgabe der "Krone" erschien kurz darauf ein Artikel, der die Autorin verunglimpfte. Darin wurde ihre aktuelle Adresse veröffentlicht mit dem Zusatz, sie sei "willig". Das kann man getrost als Aufruf zur Vergewaltigung lesen. Stefanie Sprengnagel war vogelfrei. Im Netz wurde sie wüst attackiert, es wurde zu ihrer Ermordung und Vergewaltigung aufgerufen.

Man kann speziell die Köln-Passage der Autorin unsensibel gegenüber den Opfern von Köln finden. Man kann sie aber ebenso gut als antirassistisches Statement lesen: Marokkanische Männer sind eben nicht automatisch sexuell übergriffig. Oder aber als literarische Kritik Sprengnagels an der häufigen Täter-Opfer-Umkehr nach Vergewaltigungen: dass Frauen mit Minirock, roten Lippen und ohne BH "selber schuld" seien. So hat auch die Autorin ihre Formulierung mittlerweile erklärt. Es hätte aber auch kontexterfassendes Lesen gereicht, um zu verstehen, worum es der Autorin geht. Sie steht für einen schnoddrigen Feminismus, der vor allem das eigene Wohlgefühl feiert und sich reichlich wenig darum schert, wie andere sie beurteilen.

Keine Frage des Geschmacks

Die Kampagne der "Krone" zielt aber ohnehin nicht auf die Äußerungen oder die Kunst der Autorin, sondern auf sie als Person. Nein: als Frau. Als feministische Frau, die laut, derb und selbstbewusst auftritt. Es geht auch nicht, wie die Zeitung vorgibt, ums Steuergeld: Die 1.500 Euro sind im Vergleich zu den Summen, die regelmäßig aus unser aller Brieftaschen etwa via öffentliche Inserate in die "Krone" fließen, geradezu lachhaft gering. Es geht auch nicht darum, ob man Sprengnagel selbst oder ihren literarischen Stil nun mag oder nicht. Oder darum, was Literatur, Satire oder Kunst darf. Man kann die Frau genial finden oder völlig überbewertet; ihre Texte und Sprüche für geistreich halten oder für zwangsoriginell. Man kann die Figur Sargnagel auch einfach uninteressant finden, mit dem legitimen Argument: nicht mein Geschmack, nicht meine Baustelle.

Was man allerdings nicht kann: die Augen einfach verschließen vor der Menschenhatz, die die "Kronen Zeitung" nun gegen sie betreibt. Vor dem impliziten Aufruf zur Gewalt an einer Frau nach dem Motto: Wer austeilt, muss einstecken können. Bevor Frauen Opfer tätlicher Gewalt werden, werden sie praktisch immer verbal als Mensch abgewertet. Diesen Teil hat die "Krone" erledigt. Jede Partei und jede Firma, die die "Krone" über öffentliche Gelder, Inserate und Presseförderung mitfinanziert, muss sich bewusst sein, dass sie damit die Menschenhatz fördert. (Lisa Mayr, 13.3.2017)