Outsourcing, Eigentümerwechsel, die Übertragung von Tätigkeiten auf Leiharbeitskräfte oder gar die Schließung von Teilbetrieben: Beschäftigte sind laut einer aktuellen Umfrage permanent mit Umstrukturierungen in unterschiedlichsten Varianten konfrontiert. Diese würden überwiegend auf ein kurzfristiges Ergebnis abzielen und seien eher punktuell als strategisch ausgerichtet, erläutert Christoph Klein, Direktor der Arbeiterkammer Wien, bei der Präsentation der Umfrage-Ergebnisse.

Umstrukturierungen als Dauerbrenner

Von der Arbeiterkammer beauftragt die Umfrage durchzuführen wurde die Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (Forba). Befragt wurden 400 Betriebsrätinnen und Betriebsräte, die auch im Aufsichtsrat des jeweiligen Unternehmens sitzen. 350 Fragebögen wurden in die Auswertung aufgenommen, eine laut Forba-Mitarbeiter Hubert Eichmann repräsentative Anzahl. Unternehmen aus dem Produktionssektor und dem Dienstleistungssektor waren jeweils zur Hälfte vertreten – bei den Branchen dominiert mit einem Anteil von einem Viertel der Bereich Metall und Elektro, gefolgt von Bau und Banken mit jeweils 13 Prozent. Es handelt sich großteils um große Unternehmen – 43 Prozent haben 205 bis 999 Beschäftigte, 39 Prozent notieren an der Börse.

Am häufigsten stellen die Befragten interne Umstrukturierungen fest, also etwa das Verändern von Abteilungsstrukturen. 85 Prozent geben an, davon betroffen gewesen zu sein. Die zweithäufigste Maßnahme ist mit 65 Prozent die Fremdvergabe von Hilfstätigkeiten (zum Beispiel Küche oder Reinigung), aber auch Outsourcing von Angestelltentätigkeiten kommt relativ häufig (39 Prozent) vor.

Grafik: Forba

Auch kaufmännische Angestellte gefährdet

Neu im Vergleich zu einer ähnlichen Befragung vor zehn Jahren ist, dass neben den un- und angelernten Arbeitskräften bereits heute und mehr noch in den kommenden Jahren kaufmännische Angestellte überdurchschnittlich gefährdet seien. Ein Grund ist laut Eichmann die fortschreitende Digitalisierung, eine Branche, die stark betroffen ist: die Banken.

Die Ziele sind dabei für die Befragten klar: Satte 92 Prozent nannten Kosteneinsparungen als Grund für Umstrukturierungen. 82 Prozent nannten die Einsparung von Personal und ebenso viele die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Recht hoch ist auch der Anteil derer, die das Ausnützen von schlechteren arbeitsrechtlichen Regelungen (45 Prozent) oder die Flucht aus dem Kollektivvertrag sehen (39 Prozent).

Vorhaben versus Wirklichkeit

Die Forba-Wissenschafter interessierten sich allerdings nicht nur für die Ziele, sondern auch dafür, ob diese durch die Umstrukturierungen auch erreicht wurden. Hier ist das Fazit eher ernüchternd: Kurzfristig werde die Kostensenkung zwar erreicht, aber für die nachhaltige Stärkung des Unternehmens würden Umstrukturierungen deutlich weniger bringen. Im Gegenteil: 47 Prozent gaben an, dass infolge der für sie gravierendsten Umstrukturierungen die Qualität der Produkte beziehungsweise der Dienstleistungen gesunken ist. "Bei den Zielen gibt es ein Auseinanderklaffen von Vorhaben und Wirklichkeit", sagt AK-Direktor Klein. Dazu passe auch das Zitat eines befragten Betriebsrats, wonach sich gezeigt habe, dass bei der Auslagerung eines Unternehmensteils im ersten Jahr zwar positive Bilanzeffekte zu beobachten waren, nach zwei, drei Jahren die Kosten aber wieder gleich hoch oder sogar höher als in der Ausgangssituation seien.

Grafik: Forba

Eine Folge, wenn die Kosten doch höher als gedacht ausfallen, ist das so genannte Insourcing. Das kommt laut Eichmann auffällig oft vor, ebenfalls eine eher neue Entwicklung. 24 Prozent der Befragten haben dieses Phänomen bei Tätigkeiten erlebt, die im Inland ausgelagert wurden, acht Prozent bei ins Ausland ausgelagerten Tätigkeiten.

Druck auf Belegschaft teilweise "unerträglich"

Natürlich wurde auch nach den Auswirkungen auf die Belegschaft gefragt. Ein Zitat eines Betriebsrats sei hier exemplarisch: "Der Kostendruck wird immer mehr, die Gewinne müssen steigen. Der Druck auf die Beschäftigten wird teilweise unerträglich. Die Motivation der Kollegen fällt dadurch massiv." Dass der Arbeitsdruck durch Umstrukturierungen gestiegen ist, sagen demnach 85 Prozent. 67 Prozent nannten als Folge eine Verringerung des Personals, steigende Unsicherheit bemerkten gut zwei Drittel der Befragten. Besonders negativ wurden dabei Verlagerungen ins Ausland – innerhalb des Unternehmens oder an Dritte – bewertet. Wer in einem unsicheren Arbeitsumfeld arbeite, sei naturgemäß auch unzufriedener und demnach auch einer größeren gesundheitlichen Belastung ausgesetzt, spricht Klein die langfristigen Folgen an.

Diese negativen Auswirkungen für die Belegschaft erklärt sich Klein auch dadurch, dass der Betriebsrat zwar in den allermeisten Fällen über Maßnahmen informiert wurde, das allerdings oft sehr spät geschieht, sodass nur wenig mitgestaltet und mitbestimmt werden kann. "An dieser Situation muss sich dringend etwas ändern", fordert deshalb auch Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des Gewerkschaftsbunds. "Die Beschäftigten und deren Vertretungen müssen aktiv in betriebliche Veränderungsprozesse einbezogen werden. Diese Forderungen richten sich zum einen an das Management, zum anderen bedarf es aber auch einer Weiterentwicklung auf arbeitsrechtlicher Ebene."

Grafik: Forba

Forderungen an Unternehmen und Politik

Konkret fordern Arbeiterkammer und Gewerkschaft unter anderem eine Sanktionierung, wenn Informations- und Beratungsrechte für Betriebsräte eingeschränkt werden. Die schärfste Maßnahme könne hierbei sein, dass Geschäfte in so einem Fall keine rechtliche Wirkung entfalten können. Weitere Forderungen betreffen den Aufsichtsrat: Die Zustimmung zu Umstrukturierungen soll für diesen verpflichtend werden und die Schwelle für die Aufsichtsratspflicht von 301 auf 251 Beschäftigte gesenkt werden. Betriebsratsmitglieder sollen außerdem öfter freigestellt werden, um sich ausführlich weiterbilden zu können und so den erhöhten Arbeits- und Komplexitätsanforderungen gerecht zu werden. Die beiden Arbeitnehmervertreter fordern auch Maßnahmen gegen das Unterlaufen von Kollektivverträgen durch Arbeitgeber-Verbandswechsel und einen verbesserten Rechtsschutz im Fall einer falschen Anwendung von Kollektivverträgen.

Auch nach der Umfrage im Jahr 2005 wurden solche Forderungen gestellt, umgesetzt wurden die meisten aber nicht. Sind Klein und Achitz nun optimistischer? "Ja. Denn mit der zunehmenden Relevanz und Aktualität steigt der Druck, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen", sagt Achitz. Man werde auf jeden Fall versuchen, diese Anliegen in die nächsten Koalitionsverhandlungen einzubringen. Klein sieht durch die Auswirkungen der Digitalisierung außerdem eine "objektive Notwendigkeit", sich dieser Themen anzunehmen. Und dass sich heimische Führungskräfte laut einer aktuellen Befragung im Sinne besserer Leistung deutlich für die Zusammenarbeit mit den Belegschaftsvertretern aussprachen, sei jedenfalls ein sehr gutes Zeichen, so Klein.

Klein und Achitz betonen abschließend, dass Umstrukturierungen nicht per se negativ sind, schließlich würden diese Maßnahmen vor allem bei großen Unternehmen zum Alltag gehören. Einzig müsse man dafür sorgen, dass die Interessen der Arbeitnehmer dabei gewahrt werden. (lhag, 14.3.2017)