Andreas Dornbracht: "Im Zusammenhang mit Toiletten glaube ich nicht an das große Hightech-Dings, also an Tastaturen, die – weiß der Kuckuck was – zaubern können."

Foto: Dornbracht

STANDARD: Im Film "Eyes Wide Shut" pieselt Nicole Kidman neben Tom Cruise im Badezimmer. Das wäre früher undenkbar gewesen. Wie hat sich das Thema Intimität im Bad verändert?

Andreas Dornbracht: Die Nutzung eines Bades zu zweit ist heute keine große Sache mehr. Was das gemeinsame Baden und Duschen betrifft, ist dies auch nicht nur im sexuellen Kontext zu sehen. Es geht auch um gemeinsames Entspannen, darum, Zeit miteinander zu verbringen.

STANDARD: Was will die Frau vom Bad, was der Mann?

Dornbracht: Männer haben das Bad noch nicht in dem Maß als Rückzugsort erkannt, wie Frauen das tun. Der Einstieg in das Thema Bad erfolgte für Frauen über das Thema Schönheitspflege. Das generiert ein anderes Verhältnis zum Bad. Männer holen bei diesem Thema allerdings auf.

STANDARD: In Sachen Bad ist auch immer öfter vom Trend zu "Private Spas" zu hören. Das klingt nach einem Elitenprogramm. Die Realität sieht so aus, dass die durchschnittliche Badezimmergröße in Österreich bei ca. sechs Quadratmetern liegt.

Dornbracht: Ich sehe hier keinen Widerspruch. Es geht um Innovationen. Klar werden diese oft im Luxusbereich geschaffen. Denken Sie an das mobile Telefonieren, das war vor 20 Jahren Luxus. Mit ABS bei Autos war das vor 20 Jahren ebenso. Das heißt, Innovationen fassen im Luxussegment Fuß, weil die Entwicklungskosten vom Kunden mitbezahlt werden. Aber alles, was Sinn macht und einen Mehrwert schafft, wird mit der Zeit auch demokratisiert.

STANDARD: Aber das Raumangebot wird nicht größer. Das war beim Handy kein Problem.

Dornbracht: Da haben Sie recht. Es geht darum, Grundrisse zu schaffen, in denen Mehrwertfunktionen auch auf kleinem Raum untergebracht werden. Bei uns zum Beispiel gibt es ein Konzept, ein "Small size premium Spa" für eine Größe von sechs Quadratmetern mit jeder Menge Funktionen.

STANDARD: Was kostet ein Bad?

Dornbracht: So viel wie ein Auto, und das gibt's in allen Preislagen. Anders gesagt, ein gut eingerichtetes Bad kommt auf 9.000 Euro inklusive Installationen. Ein hochwertiger Mercedes kostet natürlich mehr. Auch solche Bäder gibt es.

STANDARD: Sind die Leute heutzutage bereit, mehr Geld fürs Bad auszugeben als früher?

Dornbracht: Das hängt sehr stark vom Lebenszyklus ab. Eine junge Familie wird andere Prioritäten setzen, als ins Bad zu investieren. Sind die Kinder aus dem Haus, ist das Eigenheim abbezahlt, wird man eher in Küche und Bad investieren – oder in ein neues Auto oder eine Weltreise. Die meisten unserer Kunden sind 50 plus.

Das Badezimmer wird zum Private Spa.
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STANDARD: Bei Dornbracht spricht man von den Megatrends Healthness, Individualisierung und Digitalisierung. Wahrscheinlich ärgern sich mehr Leute mit Duschvorhängen herum. Das klingt alles ein wenig nach Prestige.

Dornbracht: Ein Bad hat wenig mit Prestige zu tun. Ein Bad richtet man für sich selbst ein, das ist anders als bei der Küche. Das hat auch mit Gesundheitsstrategien zu tun.

STANDARD: Klingt ein wenig dick aufgetragen. Was hat das Bad mit Gesundheitsstrategien zu tun?

Dornbracht: Das Bad ist vielleicht nur ein Mosaikstein. Der Link, um den es uns geht, heißt Hydrotherapie.

STANDARD: Wo fängt die an? Bei einer heißen Badewanne?

Dornbracht: Zum Beispiel. Aber es geht um mehr, um Anwendungen, die einen Mehrwert bieten, zum Beispiel ein Gießrohr zu entwickeln, das den Druck aus dem Wasser nimmt und einen Wasserfilm um Arme und Beine legt. Das verstärkt die Wirkung des Wassers. Wir arbeiten mit Physiotherapeuten und Sportmedizinern an wirkungsvolleren Anwendungen.

STANDARD: Ein breites Publikum sprechen Sie damit aber noch nicht an, oder?

Dornbracht: Es geht um eine Entwicklung, die vielleicht zehn Jahre in Anspruch nehmen wird, bis das in einem breiten Gesundheitsbewusstsein ankommt. Menschen investieren heute auch viel mehr in eine hochwertige Matratze als noch vor 20 Jahren.

STANDARD: Wellness bedarf gewisser Zeit. Wie schaffen Sie es, dass die Menschen mehr Zeit im Bad verbringen?

Dornbracht: Genau das ist die Herausforderung und die Chance. Wir haben recherchiert, dass die App, die am meisten heruntergeladen wird, eine "7-Minuten-Workout"-App ist. Weil eben keine Zeit da ist. Im Bad reagieren wir darauf mit drucklosem Wasser oder fünf Minuten Heiß-kalt-Anwendungen. Wenn ich dabei noch Atemübungen mache und mich auch noch körperlich betätige, reicht das für gewisse Effekte.

Hydrotherapie im eigenen Bad.
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STANDARD: Es scheint, als könnte man diese Schlagwörter 1:1 auf den Bereich Küche und Nahrungszubereitung umlegen.

Dornbracht: Absolut. Unser Wohnumfeld wird immer stärker von solchen Megatrends beeinflusst. Die schaffen ja nicht wir Produktentwickler, sondern gesellschaftliche Strömungen. Individualisierung ist ein solches Thema. Sehen Sie sich doch die Mode an, Luxusmarken spielen bei der Jugend eine immer kleinere Rolle. Insiderbrands, Streetwear wird immer wichtiger. Auch das schauen wir uns genau an. Ich spreche heute mit Matratzenherstellern genauso wie den Produzenten von Küchengeräten, um zu erfahren, woher der Wind weht.

STANDARD: Baden oder Duschen, was ist Ihnen persönlich lieber?

Dornbracht: Duschen, weil ich es genieße, unterschiedliche Wasseraustrittsarten auf meinen Körper prasseln zu lassen. Action macht mir mehr Spaß, als still in einer Wanne zu liegen.

STANDARD: Lassen Sie uns über Armaturen sprechen. Warum sind manche noch immer so kompliziert zu bedienen?

Dornbracht: Weil die Usability-Standards fehlen, sehen wir mal von Rot für warmes und Blau für kaltes Wasser ab. Ich vergleiche das gern mit Navi-Systemen. Ich bin viel mit Leihwagen unterwegs und ärgere mich jedes Mal über ein neues Bedienungssystem. Und bei Armaturen kommt der Sache auch oft noch die Ästhetik in die Quere. Ich denke, das Digitale wird das Problem lösen, im Speziellen die Sprachsteuerung.

STANDARD: Ich stelle mich also unter die Dusche und sage: Bitte diesen oder jenen Strahl bei 37 Grad?

Dornbracht: Das wäre zu wenig. Es geht vermehrt um intelligente Systeme und Angebote – und um eine Mischung aus digital und analog. Vielleicht habe ich an anderen Tagen einfach Lust, den Hahn aufzudrehen.

STANDARD: Was sagt ein Badezimmer über seinen Benutzer aus?

Dornbracht: Als Erstes kann man Rückschlüsse zur Organisation seines Benützers ziehen. Stehen alle Flaschen und Tuben am Wannenrand oder sind sie in Kästen verstaut? Aber was mich noch mehr interessiert: Gibt es im Bad einen Sessel, eine Kaffeemaschine oder sogar einen Kühlschrank? Ist das der Fall, handelt es sich um Menschen, die das Bad tatsächlich als Raum nützen. Gibt es einen Fernseher in einem Bad und ist dieser so untergebracht, dass man aus der Wanne fernsehen kann, weiß ich, es handelt sich um ein Genießerbad.

STANDARD: Zurück zur Intimität: Menschen sitzen im Schnitt ein halbes Jahr ihres Lebens auf der Toilette. Was ist das perfekte Klo?

Dornbracht: Wir beschäftigen uns ja nicht so sehr mit Toiletten, aber ich kann Ihnen sagen, dass ich im Zusammenhang mit Toiletten nicht an das große Hightech-Dings glaube, also an Tastaturen, die – weiß der Kuckuck was – zaubern können.

STANDARD: Also das stille Örtchen soll weiterhin das stille Örtchen bleiben?

Dornbracht: Ja, aber wenn geht mit beheizbarer Klobrille. (Michael Hausenblas, RONDO, 20.3.2017)

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