"Europas Hunde": Die weitgehend von der türkischen Regierung gesteuerte Presse macht Kampagne.

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Ankara/Athen – Beruhigung und kühler Kopf gehören nicht eben zu den Begriffen, die Tayyip Erdoğan in seinem aktiven Wortschatz hat. Mehrmals täglich lädt der türkische Staatspräsident nun nach und feuert eine Verbalattacke nach der anderen gegen die Niederlande, die deutsche Regierung und überhaupt gegen alle "Feinde in Europa". Die Auftrittsverbote seiner Minister, die vor Auslandstürken Werbung für seine Verfassungsänderung machen sollen, nimmt Erdoğan nicht hin. Montag war Tag der Sanktionen – Einreiseverbot für niederländische Diplomaten, Herabstufung der Beziehungen –, Dienstag der Tag der Tiefschläge.

"Wir kennen Holland und die Holländer vom Massaker in Srebrenica", erklärte Erdoğan bei einer Rede, deren Anlass eigentlich der Tag des Arztes in der Türkei war. Dann fuhr der Staatschef, angefeuert von Zurufen der Gäste im Auditorium des Präsidentenpalasts, fort: "Wie verdorben ihr Naturell, ihr Charakter ist, wissen wir daher, dass sie dort 8.000 Bosniaken massakriert haben."

"Widerliche Fälschung der Geschichte"

Der niederländische Premier Mark Rutte, der zu Beruhigung und zu einem "klaren Kopf" aufgerufen hatte, wies Erdoğans Äußerung sofort als "widerliche Verfälschung der Geschichte" zurück. Das Massaker im Juli 1995 gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Es wurde von den bosnisch-serbischen Truppen unter Führung von Ratko Mladić begangen. Welche Rolle die 360 niederländischen Blauhelmsoldaten spielten, die für den Schutz von Srebrenica abgestellt waren, wird kontrovers diskutiert. Die Regierung in Den Haag ließ eine eigene Untersuchung anstellen und trat nach deren Veröffentlichung 2002 zurück.

Erdoğans ausfällige Bemerkung wurde am Dienstag sofort von den Medien der Regierung weiterverbreitet. "Hollands blutige Unterschrift", titelte etwa die regierungstreue islamistische Zeitung Yeni Şafak auf ihrer Onlineseite. Im Hintergrund zeigte sie ein Bild aus Srebrenica mit den Särgen von Leichen, die Jahre nach dem Massaker umgebettet worden waren. "WirWollenKeineHolländischenWaren" lautete auch einer der meistverwendeten Leitbegriffe türkischer Schreiber auf Twitter.

"Greifen mit ihren Pferden und ihren Kötern an"

Der türkische Präsident griff in seiner Rede am Dienstag zudem auch nochmals die deutsche Regierungschefin persönlich an. "Da kommt Deutschlands Kanzlerin und sagt: 'Ich stehe auf der Seite Hollands.' Wir wissen sowieso, dass du dich von denen nicht unterscheidest", rief Erdoğan: "Sie greifen mit ihren Pferden und mit ihren Kötern an. Du greifst mit deinen Pferden und Kötern an." Bei den Protesten vor dem türkischen Konsulat in Rotterdam am vergangenen Wochenende war die Polizei auch mit Hunden aufgezogen.

Die Sozialdemokraten der CHP, die das Neinlager anführen, bringt der Streit um die türkischen Minister in Europa in einige Not. Die EU-Staaten wollten den Sieg der Befürworter der Verfassungsänderung, sagte der CHP-Chef. (Markus Bernath, 14.3.2017)