Unterwegs im Iran, begibt sich Rosie Ming auf die Spuren ihres Vaters und der Geschichte Persiens: "Window Horses" der kanadischen Filmkünstlerin Ann Marie Fleming.


Foto: Tricky Women Filmfestival

Wien – Als Ann Marie Fleming von mehreren Autos überfahren wurde, stand wohl nicht nur das gerade begonnene Animationsstudium der kanadischen Filmemacherin auf Messers Schneide. Fleming machte aus der Not ihrer Rekonvaleszenz jedoch eine Tugend und schuf mit Stickgirl eine mit wenigen Linien zu zeichnende Figur, die sie noch über die nächsten Jahrzehnte begleiten sollte.

Das stilisierte Mädchen mit den schrägen Augen – Fleming hat chinesisch-australische Wurzeln – wurde zum Symbol der Zerbrechlichkeit seiner Schöpferin und letztlich auch zu deren Stimme. In Window Horses, als Österreich-Premiere beim Tricky-Women-Festival im Wiener Metrokino zu sehen, debütiert Stickgirl nun auch als "Schauspielerin" und schlüpft in die Rolle der Rosie Ming.

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Rosie ist ein romantisches Mädchen, das in Vancouver vom fernen Paris, von Jacques Cousteau und Arthur Rimbaud träumt. Als sie eine Sammlung eigener Gedichte in Umlauf bringt, erreicht sie bald der Ruf der weiten Welt – jedoch aus dem Iran, dem Land ihres verschollenen Vaters. Ein Lyrik-Festival in Schiras lädt zur Teilnahme ein, und Rosie nimmt die Herausforderung an. Auf der Reise lernt sie, die in einem übervorsichtigerweise getragenen Tschador einem Würstchen im Schlafrock ähnelt, nicht nur sich selbst besser kennen. Auch die Geschichte Persiens, ihren Vater und die Kunst wird sie schließlich mit anderen Strichaugen sehen.

Verschiedene Zeichner

Window Horses, ein detailreich zusammengezimmertes Coming-of-Age-Drama, gelingt dabei allen Ansprüchen und der thematischen Fülle zum Trotz das Kunststück, äußerst zugänglich und leichtfüßig zu bleiben. Als besonders glücklich erweist sich Flemings Entscheidung, anderen Künstlern die Gestaltung einzelner Passagen zu überlassen.

So folgt man der optisch denkbar schlichten Protagonistin in Szenarien, in denen die Kreativität nur so von der Leinwand quillt, während die erzählte Geschichte doch ein homogenes Ganzes bleibt. Dass dabei ein klares Bekenntnis zur Toleranz im Vordergrund steht, macht den Film noch mehr zum fliederfarbenen Wonneproppen des heurigen Festivals für Animationsfilme von Frauen.

Das facettenreiche, vorwiegend aus Kurzfilmen bestehende Programm kann aber freilich auch ganz anders. Afowl von Eva Wagner zeigt etwa, womit zu rechnen ist, wenn Vögel zur Vögel-App Tinder greifen. Noch schwarzhumoriger fällt Joanna Rytels Moms on Fire aus, ein modellierter Gruß aus der Familienplanungshölle, in dem zwei Hochschwangere über Masturbationsschwierigkeiten und den Risikofaktor Vaterschaftstest klagen.

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Am besten gedeihen Absurditäten und Animationen freilich in Japan, ein Schwerpunkt liegt da auf der Hand. Neben zwei Langfilmen, Sunao Katabuchis In This Corner of the World (Kono Sekai no Katasumi ni) und Naoko Yamadas Tamako Love Story, lässt sich da mit Leichtigkeit noch ein ganzes Füllhorn an Kurzfilmen ausschütten. Etwa Ichinose Hirokos gleichermaßen niedliches wie verstörendes Episodenfilmchen Ushi-nichi, in dem unter anderem eine Giraffe ihren Hals opfern muss, um der lieben Kuh doch noch einen fröhlichen Geburtstag zu bescheren, oder Kabuki Sawakos Master Blaster: ein vierminütiger Rausch des Umschlingens und Verschlingens, der eindeutig irgendwas mit Sex zu tun hat. Funky Zeug! (Dorian Waller, 14.3.2017)