Frauen mit Kopftuch beschäftigen die europäische Politik. Künftig können Arbeitgeber Kopftücher verbieten, insofern religiöse Symbole im Betrieb generell nicht erlaubt sind.

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Die österreichische Lösung fällt ziemlich österreichisch aus: Es wird nun einfach nichts getan. Seit Wochen debattieren heimische Politiker fieberhaft über Kopftuchverbote. Die Regierung hat sich schließlich darauf geeinigt, Richtern, Staatsanwälten und Polizisten ein "Neutralitätsgebot" aufzuerlegen – ergo: Sie dürfen keine religiösen Symbole an sich tragen, wobei Kreuze nicht aus dem Gerichtssaal entfernt werden sollen.

Nach zahlreichen Berichten und Diskussionsrunden, dutzenden Experten, die den Vorschlag auf seine Verfassungskonformität und Sinnhaftigkeit geprüft haben, und der Erkenntnis, dass es derzeit weder Richterinnen noch Polizisten gibt, die im Dienst ein Kopftuch tragen, steht nun fest, wie der Plan umgesetzt wird: indem alles so bleibt, wie es bisher war.

Alle Symbole verboten

Dabei hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag entschieden, dass Unternehmen ihren Arbeitnehmerinnen das Tragen eines islamischen Kopftuchs tatsächlich verbieten dürfen – mit der Einschränkung, dass es eine allgemeine Unternehmensregel geben muss, die das Tragen von politischen, weltanschaulichen und religiösen Symbolen generell untersagt – und dadurch nicht diskriminierend ist.

Sebastian Kurz (ÖVP), Außen- sowie Integrationsminister und Urheber der aktuellen Kopftuchdiskussion in Österreich, jubelt nun über das Urteil aus Luxemburg: Eine "richtungsweisende Entscheidung" sei gefällt worden. Der schwarze Klubchef Reinhold Lopatka fühlt Rückenwind für das von der Regierung ebenfalls geplante "Burkaverbot". Selbst die bisher eher skeptische Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) freut sich in einer Aussendung, dass das koalitionäre Vorhaben eines "Neutralitätsgebots" für gewisse Berufsgruppen nun "vollumfänglich" durch das Höchstgericht "bestätigt" worden sei.

Keine Änderung notwendig

Die Ministerien für Justiz und Inneres waren im Jänner nach Unterzeichnung des neuen Regierungsprogramms beauftragt worden, sich um die Umsetzung dieses "Neutralitätsgebot" für Richter, Staatsanwälte und Polizisten zu kümmern. In beiden Ressorts wird nun erklärt: Dafür müsse gar nichts geändert werden.

"Die Polizeiuniformtrageverordnung sieht schon jetzt vor, dass nur das getragen werden darf, was als Bestandteil der Uniform normiert ist. Das sind religiöse Symbole nicht", sagt Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Im Justizministerium wird auf die sogenannte Talarverordnung verwiesen: "Wir sehen derzeit keinen unmittelbaren Handlungsbedarf", sagt ein Sprecher von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) zum STANDARD.

Richterschaft fordert mehr

Anders sieht das die heimische Richterschaft. Seit Jahren fordert deren Standesvertretung, dass religiöse und weltanschauliche Symbole aus den Gerichten verbannt werden: auch die Kreuze, die in manchen Sälen noch auf der sogenannten Schwurgarnitur angebracht sind. "Wir sind der Ansicht, dass mit der bestehenden Talarverordnung, die nur Bekleidungsvorschriften für Männer enthält, das Tragen anderer Kleidungsstücke oder Symbole nicht untersagt, geschweige denn in ein Grundrecht wie die Religionsfreiheit eingegriffen werden kann", sagt Sabine Matejka, Vizepräsidentin der Richtervereinigung. Kommende Woche gebe es einen Termin mit Minister Brandstetter zu diesem Thema.

Auch der Verfassungsrechtler Heinz Mayer kann die Freude der Regierung über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht nachvollziehen: "Es wurde klar festgestellt, dass wenn überhaupt, nur sämtliche religiöse und sonstige Symbole verboten werden dürfen. Gilt das dann auch für ein Kreuz im Gerichtssaal? Ich denke ja", sagt er im STANDARD-Gespräch.

"Kreuz bereits abgesegnet"

Karl Weber, Leiter des Instituts für Öffentliches Recht der Universität Innsbruck, hält zwar fest, dass der österreichische Verfassungsgerichtshof das "Kreuz bereits abgesegnet" habe, er selbst hält es dennoch für problematisch: "Im Sinne der Gleichheit aller Religionen sollte man in öffentlichen Gebäuden von speziellen Symbolen absehen", sagt er.

Tolerant zeigt sich der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Ibrahim Olgun: Er könne das EuGH-Urteil zum Kopftuchverbot "nachvollziehen". Es gehe darum, alle Religionsgemeinschaften gleich zu behandeln. (Katharina Mittelstaedt, 14.3.2017)