Ingrid Thurnher und Hugo Portisch im Gespräch – im Februar bei einer großen ORF-Feier zum 90er der Journalistenlegende.

Foto: ORF/Ramstorfer

Auf fünf Talkformate in aller Welt kommt die neue Senderchefredakteurin heuer noch – ohne Ingrid Thurnhers "Club 3 ", der garantiert nicht so heißen wird. Ab Herbst erklärt Hugo Portisch im Hauptabend von ORF 3 die Welt in je 60 Minuten: "So sehe ich ".

In Istanbul will Ingrid Thurnher zur Lage der Türkei diskutieren, um den 16. April, wenn das Volk über Recep Tayyip Erdogans Präsidentialsystem abstimmt. In Washington zu den ersten 100 Tagen Donald Trumps als US-Präsident. In Paris zwischen dem ersten Wahlgang zum nächsten französischen Präsidenten und der Stichwahl. Und in Berlin zur deutschen Bundestagswahl.

Das "Inside"-Diskussionsformat von ORF 3 macht im sechsten Jahr aus Brüssel 2017 (auch) mobil. Mit den jeweiligen ORF-Korrespondenten in der Gesprächsrunde, aber moderiert von Ingrid Thurnher, seit Jahresbeginn Chefredakteurin von ORF 3.

Nach neun Jahren Im Zentrum kommt Thurnher in ihrem neuen Job beim ORF-Spartensender für Info und Kultur heuer auf fünf verschiedene Talkformate:

Themenmontagtalk

Einmal im Monat moderiert Thurnher eine neue Spätabendrunde, die den gewohnten Themenmontag abschließt. Erste Ausgabe: 27. März über "Unser Trinkwasser".

Denker und Lenker

Die Gesprächsreihe wird nicht so heißen, verspricht ORF-3-Senderchef Peter Schöber, eher schon "Werkgespräch": In den schon ORF-3-erprobten Linzer "Stahlwelten" der Voest redet Thurnher mit Menschen aus Wirtschaft und internationaler Politik. Auf Schöbers "Wunschliste" stünden da EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk, Dieter Hopp, der Gründer von SAP, oder Deutsche-Bank-Chef John Michael Cryan.

Dazu "Inside" neu auf Welttournee, wie gewohnt "60 Minuten Politik" und die "Runde der Chefredakteurinnen".

Ingrid Thurnher, hier in der "60 Minuten Politik"-Deko.
Foto: ORF/Günther Pichlkostner

"Club 3"

Und wo bleibt der "Club 3" – ein gesellschaftspolitisches Gesprächsformat, über das Thurnher bei Dienstantritt im APA-Interview nachdachte? "Daran entwickeln wir noch fleißig", sagt Senderchef Schöber dem STANDARD vor seiner Programmpräsentation am Dienstagabend.

Fest steht: "Club 3 würde ich das Format nicht nennen" – auch Thurnher tat das nicht. Denn, so Schöber: "Als Nachfolger des Club 2 kann man nur scheitern, auch wenn der Club 2 am Schluss vor allem endlos lang und endlos fad war." Mit der Sendung verbinde man dennoch "Ikonografisches" wie Nina Hagens Masturbations-Demo und die Skinheads, die live auf Moderator Rudolf Nagiller losgingen. "Da muss uns noch was Griffiges einfallen", sagt Schöber. In der Präsentation kommt das Gesprächsformat noch nicht vor.

60 Minuten Portisch

Schon fix indes: Ab Herbst soll Journalistenlegende Hugo Portisch in So sehe ich über 60 Minuten im Hauptabend, illustriert mit Archivmaterial, die Welt erklären. Fix geplant sind Ausgaben über China, Russland, über die USA und über Europa. Aus der Europa-Folge könnten noch Einzelfolgen über Frankreich, Deutschland und Großbritannien werden. Danach programmiert ORF 3 einen passenden Themenabend.

Otto Schenks "Haus- und Hauptsender"

Über Quoten will Schöber nicht reden, freut sich aber doch über 1,8 Prozent Marktanteil, etwa doppelt so viel wie Arte in Österreich und etwa gleichauf mit Servus TV. Dessen Quotenhighlight 2016, Otto Schenk, widmet ORF 3 Porträt und Programme. ORF 3 sei Schenks "Haus- und Hauptsender", sagt Schöber.

Musterbeispiel für Channel-Struktur

ORF-Chef Alexander Wrabetz sieht den fünf Jahre alten Sender auch als ein Beispiel, wie die viel diskutierte "Channel-Struktur" im ORF-TV funktionieren könnte: "Ein Sender mit einer klaren Strategie, der zeigt, wie es geht, wenn ein schlankes kleines Team committed ein gutes Programm macht." Die Devise für die Zukunft sei: "Weiter entwickeln, weiter wachsen, weiter begeistern", erklärte Wrabetz bei der Programmpräsentation.

Senderchef Schöber fand ebenfalls überschwängliches Lob für das ORF III-Team. ORF III bleibe bei seinem "klaren Image: Kunst, Kultur, Information" und baue sukzessive bei der Wissenschaft aus. Heuer versuche man zusätzlich, auch "im Bereich der alternativen Kultur" präsenter zu sein, so werden etwa FM4-Radiosessions gezeigt.

Kulturdienstag

Neu in der Sparte Kultur ist heuer der "ORF III Kulturdienstag". Dort beleuchtet neben etablierten Sendungen wir "Aus dem Rahmen", "Was schätzen Sie...?" und "erLesen" etwa das neue Format "Erbe Österreich" Kunst- und Kulturgeschichte des Landes. "Dokumente, die die Welt bewegen" berichten "aus dem Inneren des Österreichischen Staatsarchivs". Auffällig ist generell eine deutliche Positionierung als Sender für Hochglanz-Heimatbilder.

Koch sucht Bauern (auf)

Da passt auch die "roadKitchen – Bauern kochen" hinein. Mit "Seitenblicke Seinerzeit" ist ein Blick in die Geschichte des ORF-Societyformats und ein Schwerpunkt zu Otto Schenk geplant. Ab Herbst erzählt eine sechsteilige Hochglanz-Doku die Geschichte der Habsburger. Nicht fehlen dürfen auch heuer Live-Kultur-Events wie das "Fest der Freude" oder das Donauinselfest.

Auch ein Programmprojekt von ORF 3, zu sehen ab 3. Juni im Samstagvorabend: "Roadkitchen", Paul Kogelnig besucht mit seinem Küchenfahrrad Landwirte.
Foto: ORF/STARKL!film

"Die Erfinder der Nazis"

Zeitgeschichte ist ein starkes Thema auf ORF III. Schwerpunkte gibt es wieder rund um den Gedenktag der Befreiung Mauthausens, weiters geplant sind Reihen wie "Die Erfinder der Nazis" über Pioniere der Technik im NS-Umfeld oder "Stille Helden" – Porträts von Menschen, die NS-Verfolgten halfen. Der soeben zu seinem 90er gefeierte Hugo Portisch lässt ab Herbst seine legendäre Reportage-Reihe "So sah ich..." als "So sehe ich..." wieder aufleben.

Sportfans kommen auch auf ihre Rechnung, denn rund um den Formel 1-Grand Prix in Spielberg im Sommer wird eine sechsteilige Dokureihe auf mehr als sechs Jahrzehnte Renngeschichte zurückblicken. Die Reihe "Baumeister der Republik" wird fortgesetzt. Das Pendant, in dem die "Baumeisterinnen" gewürdigt werden, ist bereits anlässlich des Internationalen Frauentags gestartet. Im Frühling und im Herbst gibt's darüber hinaus vier Teile über die "Heimat großer Töchter".

"Wissenschaft trifft Wirklichkeit"

Im "Spannungsfeld Wissenschaft und Religion" bewegen sich unter anderem Produktionen wie die neue Serie "Klösterreich" oder die Weiterentwicklung zum "science.talk" unter dem Titel "Wissenschaft trifft Wirklichkeit". Das im Herbst des Vorjahres lancierte Wissenschaftsmagazin "Quantensprung" wird als zentrales Format positioniert, der Gesundheitstalk "Meryns Sprechzimmer" geht in eine neue Runde. (fid, APA, 15.3.2017)