Zürich – Meeresplankton treibt nicht vollkommen hilflos im Wasser: Es reagiert auf Turbulenzen und kann sein Verhalten bis zu einem gewissen Grad aktiv daran anpassen. Das haben Forscher der ETH Zürich beobachtet, die Algen in eine Art winzige Waschmaschine gesteckt haben, um Turbulenzen zu imitieren.

In Bewegung

Plankton im Meer befindet sich stets auf Wanderschaft. Die Mikroorganismen steigen am Tag an die lichtdurchflutete Meeresoberfläche, wo sie Photosynthese betreiben. In der Nacht halten sie sich in einer Tiefe von zehn bis 20 Metern auf, wo die Nährstoffversorgung besser ist.

Turbulenzen im Wasser, insbesondere kleinste millimetergroße Verwirbelungen, können dem Plankton gefährlich werden, erklärt die ETH Zürich. Die Mikroorganismen werden herumgeschleudert. "Im schlimmsten Fall können die Organismen in den Verwirbelungen zugrunde gehen."

Bestimmte Algen des Phytoplanktons haben aber raffinierte Mechanismen entwickelt, um den Totalverlust ihres Bestandes zu vermeiden. Drei Wissenschafter am Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich haben nun das Wanderverhalten der Alge Heterosigma akashiwo untersucht.

Das Experiment

Die Postdoktoranden Anupam Sengupta und Francesco Carrara sowie Professor Roman Stocker haben Zellen der Alge in eine kleine Kammer von wenigen Kubikmillimetern eingebracht. Diese Kammer konnte mit einem computergesteuerten Motor kontinuierlich um ihre horizontale Achse rotiert und so wiederholt um 180 Grad gekippt werden.

Beim Kippen zeigte sich, dass sich die aufsteigende Algenpopulation in zwei gleich große Gruppen teilt. Eine davon strebt weiterhin zur Oberfläche, die andere schwimmt in die entgegengesetzte Richtung.

Die Zellen verändern dazu ihre Form: Abwärts schwimmende werden eiförmig, aufwärts schwimmende eher birnenförmig. "Das ist spektakulär, dass eine knapp zehn Mikrometer große Zelle ihre Form anpassen kann, um ihre Schwimmrichtung zu verändern", wird Studien-Mitautor Carrara zitiert.

Hilfreiches Halbe-halbe?

Die Alge habe sich perfekt an ihren Lebensraum angepasst – sie könne aktiv schwimmen, Umweltsignale wahrnehmen und ihr Verhalten entsprechend anpassen, sagt Stocker. Und Sengupta ergänzt: "Wir verstehen nun besser, wie die Mikroorganismen potenziell gefährlichen Situationen begegnen."

Nur spekulieren können die Forscher bisher aber darüber, weshalb die Algen bei Turbulenzen so reagieren. Sie gehen davon aus, dass das Teilen der Population in zwei Gruppen der Art einen evolutiven Vorteil verschafft. "Im schlimmsten Fall geht nicht die gesamte Population verloren, sondern nur die halbe."

Die Forscher haben zudem Hinweise darauf, dass Signale, die von Turbulenzen ausgehen, die Alge physiologisch belasten. "Zellen, die in ihrem Experiment herumgewirbelt wurden, erlitten mehr Stress als solche in ruhenden Kammern."

Weitere Forschungen

Die ETH-Forscher wollen die Algen nun in einem größeren Tank beobachten, in welchem sie nicht nur dem "Kippen", sondern echten Turbulenzen ausgesetzt werden.

Das Verhalten des Planktons genau zu kennen, sei wichtig, halten die ETH-Forscher fest, die ihre Studie in der Fachzeitschrift "Nature" publiziert haben: "Da der Klimawandel die Intensität der Turbulenzen in den Ozeanen je nach Region verändern wird, müssen wir unbedingt verstehen, wie Organismen, welche die Basis für die gesamte Nahrungskette bilden, darauf reagieren." (APA, red, 21. 3. 2017)