Seit Anfang März demonstrieren jeden Tag tausende Mazedonier gegen mehr Sprachenrechte für Albaner. 65 Prozent der zwei Millionen Staatsbürger bezeichnen sich als "ethnische" Mazedonier.

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Auf dem milchblauen Yugo sind Lautsprecher befestigt. Hier werden auch die rot-gelben Bänder verteilt, die an die mazedonische Flagge erinnern und die sich die Menschen um den Hals und um den Kopf binden. Viele tragen Flaggen mit der gelben Sonne auf rotem Grund um die Schultern. Es ist laut. Sogar die Tröten sind in rot-gelb gehalten.

Der 52-jährige Bojan glaubt, dass sein Staat bedroht sei, wenn Albanisch überall zur Amtssprache wird, wie dies die bisher oppositionellen Sozialdemokraten unterstützen. Deshalb ist er extra aus dem Ausland hierhergeflogen, um an den Demonstrationen teilzunehmen. "Mit diesem neuen Sprachengesetz werden die Leute gezwungen, Albanisch zu lernen, und es werden nur noch Albaner in der Verwaltung angestellt", begründet er seine Angst. Abgesehen davon seien die Albaner "eine Minderheit", und "wir sind die Mehrheit", fügt er hinzu.

Die Demonstranten wollen nicht, dass Mazedonien zu einem "binationalen Staat" wird, also dass die Albaner, die hier etwa ein Viertel der Bevölkerung ausmachen, als konstituierendes Volk in der Verfassung genannt werden. "Sie sind jetzt zwanzig Jahre lang von der internationalen Gemeinschaft gehätschelt worden und haben alles bekommen, was sie wollten. Jetzt ist Schluss. Denn Hillary Clinton hat die Wahl verloren, und Trump ist nicht Teil dieser proalbanischen Politik."

Alte Emotionen

Die große Mehrheit der Teilnehmer an dem Demonstrationszug sind ältere Männer – unter ihnen auch Kriegsveteranen. Im Jahr 2001 gab es in Mazedonien einen gewaltsamen interethnischen Konflikt. Viele Emotionen von damals kommen nun wieder hoch. Das macht die Situation gefährlich. In Bitola wurde bereits ein Museum der Albaner mit Molotowcocktails angegriffen. Albanische Schulkinder verlassen in diesen Tagen frühzeitig die Schulen, weil sie Angst vor Übergriffen haben, wenn die Demos jeden Tag um 17 Uhr beginnen.

Bojan schwingt seinen gelb-roten Schal. Viele Mazedonier fühlen sich ohnehin nicht als "Nation" anerkannt, weil Griechenland den Namen ihres Landes nicht akzeptiert und aus diesem Grund seit 2005 den EU-Beitritt und auch den Nato-Beitritt blockiert. Es ist leicht, sie für die "nationale Sache" zu mobilisieren.

Tausende Demonstranten

Es ist ein sehr langer Zug von Demonstranten, der vom Regierungsgebäude bis zum Parlament führt. Einige junge Roma-Männer schlagen auf große Trommeln. Die Anliegen der Demonstranten sind ihnen egal. Sie geben hier nur den Takt vor.

Mazedonien steht vor einer Wende. Es gibt eine neue Mehrheit im Parlament: Die Sozialdemokraten (SDSM) lagen bei den Wahlen am 11. Dezember zwar mit knapp 38 Prozent hinter der nationalkonservativen VMRO-DPMNE (39,4 Prozent), doch die Albanerparteien wollen nicht mehr mit der VMRO koalieren, und ohne sie gibt es keine Mehrheit. Die bisher mitregierende Albanerpartei DUI hat massiv an Stimmen verloren. Viele Albaner wählten die Sozialdemokraten, andere stimmten für neue Albanerparteien wie Besa.

Demokratisierungsversuch

Seit Mazedonien 2015 in eine innenpolitische Krise schlitterte, weil bekannt wurde, dass Vertreter der Regierungspartei VMRO die Wahlen gefälscht hatten, arbeiten die EU und die USA daran, Rechtsstaatlichkeit einzuführen. Die VMRO, die sich vor Gerichtsprozessen fürchtet, versucht mit Hilfe von Präsident Ivanov, diesen Prozess zu unterlaufen.

Es geht nicht nur um Macht, sondern auch um ideologische Fragen. Teile der VMRO sind antiliberal und bekämpfen nun noch aggressiver all jene, die für "westliche Werte" stehen. NGOs und Journalisten werden attackiert und beschattet. Im Visier sind nicht nur von George Soros finanzierte Gruppen, sondern auch jene, die von USAID Geld bekommen. Inspektoren der Finanzbehörden, des Innenministeriums und der Staatsanwaltschaft zogen aus, um etwa 20 NGOs Unregelmäßigkeiten "nachzuweisen".

Doch auch in der VMRO gibt es Absetzbewegungen. Viele wollen dem Chef der Partei, Nikola Gruevski, nicht mehr folgen, sondern versuchen sich im Rahmen des Machtwechsels, der in den nächsten Tagen über die Bühne gehen könnte, von seinen Machenschaften zu distanzieren. (Adelheid Wölfl aus Skopje, 16.3.2017)