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An Dennis Kimettos Weltrekord 2014 in Berlin wird Monza nichts ändern.

Foto: AP/Rainer Jensen

Monza/Wien – Noch in diesem Frühjahr – also relativ bald, sonst wird es zu heiß – fällt der Startschuss. Im Marathon, Königsdisziplin der Leichtathletik, soll nicht nur der am 28. September 2014 in Berlin vom Kenianer Dennis Kimetto fixierte Weltrekord (2:02:57 Stunden) unterboten werden, sondern gleich auch die Zweistundenmarke. Das Projekt, das der weltweit führende Sportartikelanbieter Nike groß aufgezogen hat, nennt sich "Breaking2". Seit Monaten wird die Öffentlichkeit häppchenweise mit Infos dazu versorgt.

Klar ist, dass auf der Formel-1-Rennstrecke in Monza gelaufen wird, die etliche Vorgaben (Klima, Höhenlage, Asphalt) erfüllt. Klar ist auch, wer sich auf die Jagd machen wird: Olympiasieger Eliud Kipchoge aus Kenia, Leslisa Desisa aus Äthiopien und Zersenay Tadese aus Eritrea, dazu einige wenige Tempomacher. Mehr als ein Dutzend Experten aus diversen Bereichen (Material, Biomechanik, Ernährung, Psychologie) kümmern sich um das Trio, seit Monaten wird auf den Tag X hingearbeitet. Ein Testlauf in Monza fand bereits statt, Kipchoge als Schnellster legte dabei einen Halbmarathon in 59:17 Minuten zurück. Die Zeit ist stark, sagt aber auch nicht allzu viel aus – der seit 2010 von Tadese gehaltene Halbmarathon-Weltrekord liegt bei 58:23 Minuten.

Quasi Laborbedingungen

Geplant wird also kein Marathon im klassischen Sinn, sondern ein äußerst elitäres Rennen quasi fast unter Laborbedingungen. Genau das ist es, was seit Wochen für hitzige Diskussionen in Leichtathletikkreisen sorgt. Lässt sich eine solche Veranstaltung noch als Marathon bezeichnen? Wolfgang Konrad, Veranstalter des Vienna City Marathon, der am 23. April seine 34. Auflage erlebt, ist hin- und hergerissen. "Natürlich ein Gag, eine PR-Aktion", sagt er. "Aber es schadet ja nicht, es bringt dem ganzen Sport Aufmerksamkeit."

Was die Anerkennung eines möglichen Rekords angeht, ist Konrad skeptisch. Dafür müssten sämtliche Richtlinien des Weltverbands (IAAF) eingehalten werden. Und damit tut sich Nike einigermaßen schwer. Auch deshalb thematisiert die Firma den "Weltrekord" selbst nicht, sie sieht etwas ausweichend lieber die "Mission" im Vordergrund, die "Chance, das Unmögliche möglich zu machen". Der 2,4 Kilometer lange Kurs in Monza wäre dabei gar kein Problem, er ist regelkonform, schließlich liegt das Ziel kaum tiefer als der Start und auch nicht weit entfernt. Zeiten auf Kursen, die zu lange in eine Richtung führen, werden nicht als Rekorde anerkannt, Beispiele dafür sind etwa Boston, Venedig und der Wachau-Marathon.

Die Läufer und die Hasen

Nike, davon ist auszugehen, setzt "Breaking2" aus anderen Überlegungen einer genauen Überprüfung durch die IAAF gar nicht erst aus. Kipchoge und Co, das ist der mögliche Hauptgrund, sind auf Tempomacher angewiesen. Und "Hasen", die auf Dauer derart schnell sind, gibt es praktisch nicht. Soll die Zweistundenschallmauer fallen, wäre ein Kilometerschnitt von 2:50,5 Minuten erforderlich, Kimettos Weltrekordzeit müsste um 178 Sekunden unterboten werden, also um gut vier Sekunden pro Kilometer. Das ist eine Welt. Schon beim Halbmarathontest in Monza kamen Tempoläufer zum Einsatz, die allerdings immer wieder aus dem Rennen aus- und wieder ins Rennen einstiegen. Ein Verstoß gegen IAAF-Regeln, die vorsehen, dass jeder Läufer, auch wenn er bloß Tempo macht, "stets Teil des Rennens sein muss".

Wiens Marathonchef Konrad fände das Projekt "interessanter, wenn man schauen würde, was unter Einhaltung aller Regeln möglich ist". Dass Nike Aufmerksamkeit erzielen und Gewinn verbuchen wolle, sei legitim. Für Aufregung sorgte zuletzt auch das Gerücht, dass "Breaking2" genützt werden soll, um eine neue Art von Laufschuhen zu kreieren, einerseits sehr leicht, andererseits mit einer Karbonplatte für mehr Vortrieb. Dem Vernehmen nach lässt die IAAF prüfen, ob es sich nicht um ein "unerlaubtes Hilfsmittel" handeln könnte.

Dennis Kimetto, der Weltrekordler, kam für "Breaking2" aus naheliegenden Gründen nicht infrage. Er trägt Adidas-Schuhe. (Fritz Neumann, 17.3.2017)