Die Ungeeignetheit der Türkei für einen Beitritt zur EU wurde an dieser Stelle schon lange mit den Eigenheiten der türkischen politischen "Kultur" argumentiert. Abgesehen vom Charme einer liberaleren, westlich orientierten Schicht, die lange der einzige Gesprächspartner war, gibt es Verhaltensmuster, die nur wirklichen Kennern des Landes bekannt waren: Unfähigkeit zum Kompromiss, Freund-Feind-Denken, autoritäre Mentalität und vor allem ein völlig übersteigerter Nationalismus, der sich jetzt mit einem reaktionären Islam verbündet hat.

Westliche Politiker, die den Beitritt forcierten, haben das nie wirklich verstanden. Weil diese Seite der türkischen politischen Mentalität missachtet wurde, sind jetzt viele erstaunt über die verbalen Amokläufe eines Erdoğan und seiner Vasallen. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hat jetzt einen "Religionskrieg" in Europa prophezeit (zwischen wem?) und meinte, Europa werde schon lernen, wie man mit der Türkei umzugehen habe. Ansonsten werde die Türkei es Europa beibringen: "Ihr werdet von eurem befehlenden Diskurs absehen. Die Türkei befiehlt. Ihr müsst anständig reden, ihr könnt um etwas bitten."

Das wäre schon als Wahlkampfrhetorik schlimm genug. Aber der meint das so. So denkt die jetzt tonangebende Schicht. Dahinter schimmert aber noch ein altes Unterlegenheitsgefühl. Sehr brisant. (Hans Rauscher, 16.3.2017)