In Südafrikas Hauptstadt Pretoria setzte die Polizei gegen rassistische Demonstranten Gummigeschosse und Tränengas ein.

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Ausländerhass hat sich in Südafrika in den Köpfen vieler Menschen verfestigt. Die jüngste Gewaltwelle gegen Einwanderer wütete vor wenigen Wochen in Johannesburg und der Hauptstadt Pretoria. Dort wurden Läden ausländischer Besitzer geplündert und Menschen in Straßen angegriffen. Oft sind Nigerianer die Opfer, denen Kriminalität im Drogengeschäft nachgesagt wird. Bei einem aktuellen Vorfall marschierten ausländerfeindliche Demonstranten zum Außenministerium. Einige trugen Stöcke oder Rohre. Die Polizei musste Blendgranaten und Gummigeschoße gegen den Mob einsetzen. 163 Menschen wurden verhaftet. Die Stiftung des verstorbenen Friedensnobelpreisträgers Nelson Mandela kritisierte, die Behörden hätten "einen Marsch des Hasses" genehmigt.

Die beiden Länder haben sich nun auf ein Frühwarnsystem zur raschen Antwort auf mögliche ausländerfeindliche Angriffe geeinigt. Die neu geformte Einheit soll sich unter Beteiligung von Mitarbeitern des Außen- und Innenministeriums, der Polizei und der Einwanderungsbehörden vierteljährlich treffen. "Wir wissen, dass nicht alle Nigerianer in Südafrika die Gesetze einhalten, aber die Mehrheit schon", sagte Geoffrey Onyeama, nigerianischer Minister für internationale Beziehungen.

Zudem beklagte die südafrikanisch-nigerianische Handelskammer unlängst, dass die Angriffe die Wirtschaft Afrikas schädigten. Tausende Arbeitnehmer arbeiten in den jeweiligen Partnerländern; Nigeria exportiert viel Rohöl nach Südafrika.

Schon seit der Öffnung und Demokratisierung 1994 wurde Südafrika zum Anziehungspunkt für Migranten. Laut Südafrikas aktuellster Zählung aus dem Jahr 2011 leben rund 2,2 Millionen Migranten im Land, davon etwa 1,5 Millionen Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere. Die meisten Menschen kommen aus Simbabwe, viele auch aus Malawi. Südafrika hat die größte und am meisten entwickelte Wirtschaft des Kontinents, was viele Migranten anzieht. Viele Einwanderer haben es geschafft, kleine Geschäfte zu gründen. Meist handelt es sich dabei um Straßenkioske.

Vorwürfe, dass Ausländer Einheimischen Jobs wegnähmen, gibt es in Südafrika schon seit Jahren. Die Arbeitslosenrate liegt landesweit bei 27 Prozent. Einwanderern werden häufig Straftaten vorgeworfen, obwohl innerhalb der eigenen Bevölkerung die Kriminalität hoch ist und laut aktueller Statistik sogar zugenommen hat.

"Kein Wille der Regierung"

Präsident Jacob Zuma sprach von einer "ernsten Lage" angesichts der Übergriffe gegen Fremde. Zuma sagte, viele Ausländer in Südafrika seien gesetzestreu und trügen zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Er betonte, dass die Südafrikaner nicht ausländerfeindlich seien. Keine Seltenheit im politischen Diskurs: Häufig bezeichnen Politiker diese Gewalt als pure Kriminalität.

Aber Jean Pierre Misago, Mitarbeiter des Afrikanischen Zentrums für Migration und Gesellschaft an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg, sieht das anders: "Gewalt gegen Ausländer wird normalerweise durch politische Mobilisierung ausgelöst. Oft spielen dabei wirtschaftliche oder politische Anführer oder Gruppen innerhalb der Gemeinden wie Bürgerinitiativen und Vereinigungen besorgter Bürger eine Rolle – aus Eigeninteresse." Leider sei der mangelnde Wille der Regierung, diese Gewalt als ausländerfeindlich anzuerkennen, ein Problem, sagt Misago. "Das Versagen, angemessene Lösungen zu finden, ist ein Zeichen ineffektiver Führung. Ohne Eingreifen wird sich die Gewalt weiter fortsetzen."

Schnellgerichte versprochen

Bereits 2015 wurden bei ausländerfeindlichen Unruhen in der und um die Stadt Durban mindestens sechs Menschen getötet, Townships wurden angezündet. 2008 waren bei Ausschreitungen 62 Menschen gestorben.

Aber die Regierung hat daraus nur wenig gelernt. Versprochene Schnellgerichte, die Gewalttäter zügig verurteilen sollten, operieren nicht. "Anstifter zu Fremdenhass und Täter sind in ihren Gemeinden gut bekannt. Aber die Straflosigkeit, die sie weitgehend genießen, bedeutet, dass die Täter wieder zuschlagen", sagt Misago. (Martina Schwikowski aus Johannesburg, 18.3.2017)