Wenn Saidu Bani malt, während seine Verbrennungen heilen, schwankt er manchmal. Denn sein Krankenzimmer befindet sich im größten Spitalsschiff der Welt, das derzeit vor Benin ankert.

Foto: Katrin Gänsler

Saidu Bani ist ein aufmerksamer Zuhörer. Mit seinen wachen Augen verfolgt er alles, was in seinem Sechsbettzimmer passiert. Manchmal setzt er sich auch an einen kleinen Tisch und malt oder fährt auf einer Art Bobby-Car in Form einer grünen Schnecke durch den Raum. Viele Bewegungen fallen dem Elfjährigen noch schwer. Grund dafür sind die schweren Verbrennungen, die er sich zuzog, als er ins Feuer fiel. Damals bereitete seine Mutter Sheabutter zu. "Als wir das Unglück sahen, wussten wir: Es ist ernst", erinnert sich Vater Amadou Djouldé und seufzt. Seit Wochen begleitet er den jüngsten Sohn durch den ziemlich ungewöhnlichen Krankenhausalltag.

Manchmal schwankt das Krankenhaus sogar. Saidu wird schließlich auf dem größten Hospitalschiff der Welt, der Africa Mercy, behandelt. Betrieben wird es von der christlichen Hilfsorganisation Mercy Ships, die Donald Stephens 1978 gegründet hat. Noch bis Juni liegt es im Hafen von Cotonou, der größten Wirtschaftsmetropole im westafrikanischen Benin, vor Anker. Saidu Bani ist einer von 1252 Patienten, die die Organisation bis Mitte März operiert hat. Fünf Säle und 82 Krankenbetten stehen bereit.

Armut als Unfallursache

Häufig kümmern sich Ärzte und Krankenschwestern auch um Fehlstellungen, Lippen- und Gaumenspalten sowie die Operation von Tumoren. Doch auch schwere Verbrennungen, wie Saidu sie hat, werden regelmäßig behandelt. "Sie passieren ganz schnell, wenn gekocht oder Wasser erhitzt wird", sagt Tertius Venter. Der Südafrikaner ist plastischer Chirurg und kommt seit 2000 regelmäßig zum Arbeiten auf die Africa Mercy. Grund für die Unfälle ist seiner Meinung nach die Armut. "Es ist kein Geld für Strom im Haus da."

Werden die Wunden nicht richtig versorgt, leiden die Betroffenen meist ihr ganzes Leben lang darunter. "Heute erlebe ich zwar, dass in Krankenhäusern auch operiert wird. Das Problem sind aber die fehlenden Folgetherapien." Neben Stigmatisierung und Ausgrenzung führe das zu schlechteren Einkommensmöglichkeiten von ganzen Familien. Ein Sozialsystem gibt es nicht. "Eine schlechte Gesundheitsversorgung trägt also auch dazu bei, dass Volkswirtschaften nicht wachsen", sagt der Mediziner.

Das erlebt Saidus Vater Amadou Djouldé gerade selbst: Seine Familie betreibt Landwirtschaft und versucht sich so gut es geht über Wasser zu halten. Dafür trägt im Moment seine Frau die ganze Verantwortung. Neben Saidu hat das Paar noch vier ältere Kinder. Zum Glück würden Djouldés Eltern mithelfen.

Ehemalige Eisenbahnfähre

Im schwimmenden Krankenhaus gelingt es Ärzten und Pflegepersonal, die Genesung der Patienten sehr genau mitzuverfolgen. Auf der einstigen Eisenbahnfähre Dronning Ingrid, die früher Deutschland und Dänemark verband, sind schließlich auch die gut 350 Mitarbeiter untergebracht. Sie arbeiten nicht nur ohne Entlohnung, sondern zahlen sogar Kost und Logis selbst. Da sich auch Kindergarten und Schule an Bord befinden, können sogar Familien über viele Jahre an Bord bleiben.

Hoher Suchtfaktor

Denn die Africa Mercy scheint einen recht hohen Suchtfaktor zu haben. So wie für Chirurg Tertius Venter: "Es ist immer ein Segen, anderen Menschen helfen zu können", beschreibt er. "Meine größte Motivation ist es jedoch zu sehen, wie sich Kinder mit Verbrennungen entwickeln. Anfangs fürchten sie sich entsetzlich und wissen, wie schmerzhaft die Behandlung ist. Das ändert sich nach und nach. Irgendwann rennen sie als glückliche Kinder durch die langen Gänge. Das ist eine große Genugtuung." (Katrin Gänsler aus Cotonou, 20.3.2017)