In Zukunft dürften mehr Brustkrebspatientinnen als bisher von einer medikamentösen Therapie zur Schrumpfung des Tumors vor der Operation profitieren als bisher. Dies ergibt sich aus jenen Leitlinien-Beschlüssen, welche 55 internationale Experten bei der St. Gallen Brustkrebskonferenz in Wien gefasst haben. An dem Kongress hatten rund 3.000 Mammakarzinom-Experten aus 105 Ländern teilgenommen.

"Dieses Mal beriet das Expertengremium 140 Fragen", sagte Michael Gnant, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Chirurgie (MedUni Wien/AKH) und Präsident der Österreichischen Studiengruppe für Brust- und Dickdarmkrebs (ABCSG).

Einige der Konsensus-Beschlüsse könnten wesentliche Auswirkungen auf die Therapie von Brustkrebs im frühen Stadium haben. "In Zukunft sollen alle Patientinnen, bei denen ein HER2-positives oder ein sogenanntes Triple-negatives Mammakarzinom festgestellt wird, schon vor der Operation eine medikamentöse Therapie zur möglichst starken Verkleinerung des Tumors erhalten", berichtete Gnant.

Patientinnen typisieren

Bei HER2-positiven Tumoren finden sich an der Oberfläche der Krebszellen vermehrt Rezeptoren für einen Zellwachstumsfaktor (EGFR). Triple-negative Mammakarzinome weisen weder vermehrt HER2-Rezeptoren noch Östrogen- oder Progesteron-Rezeptoren auf (sogenannte hormonabhängige Mammakarzinome). Das von den Experten nun generell präferierte Vorgehen mit einer medikamentösen Therapie beim frühen Mammakarzinom (HER2-positiv oder Triple-negativ) wird in Österreich schon seit einiger Zeit angewendet, berichtete Gnant, insgesamt beträfe das etwa ein Drittel aller neu diagnostizierten Mammakarzinom-Patientinnen.

In der Fachsprache wird die medikamentöse Behandlung bei einer Karzinomerkrankung noch vor der Operation "neoadjuvante" Therapie genannt. Sie soll das Karzinom möglichst verkleinern. Manchmal gelingt es sogar soweit zu kommen, dass die Pathologen später überhaupt keine vitalen Krebszellen im Operationspräparat mehr finden.

Diese Erfolge führen aber zu neuen Fragen, wie etwa jener, wie groß der chirurgische Eingriff nach einer solchen neoadjuvanten Verkleinerung des Tumors sein sollte. Im Ausmaß des bei Diagnose bestandenen Karzinoms oder gemäß der Größe nach der medikamentösen Behandlung. "Es ist klar festgestellt worden, dass zum Beispiel bei einer Verkleinerung des Tumors durch die neoadjuvante Therapie von fünf auf zwei Zentimeter eben dann der zwei Zentimeter große Tumor chirurgisch entfernt werden sollte (kein Eingriff nach der ursprünglichen Größe; Anm.)", sagte Brustkrebsspezialist Gnant.

Brust erhalten

Die neoadjuvante Therapie und die Rücksichtnahme auf die damit erreichte Größe des Karzinoms unmittelbar vor dem chirurgischen Eingriff – mit einem kleinen Sicherheitsabstand sollte in der Zukunft die Operationen noch kleiner machen. Das könnte auch die Rate der brusterhaltenden Chirurgie weiter steigern.

Die dritte wesentliche neue Empfehlung der internationalen Brustkrebsexperten zielt auf eine unterstützende medikamentöse Therapie nach der Operation bei hormonabhängigem Brustkrebs ab: Sowohl bei Patientinnen nach der Menopause mit antihormoneller medikamentöser Behandlung als auch bei jüngeren Frauen, die eine solche Therapie bei hormonabhängigen Brustkrebs erhalten, sollte zusätzlich noch eine Behandlung mit sonst bei der Osteoporose eingesetzten Medikamenten erfolgen (z.B. Bisphosphonate).

Wesentliche wissenschaftliche Studien dazu erfolgten in den vergangenen Jahren im Rahmen der Österreichischen Studiengruppe für Brust- und Dickdarmkrebs (ABCSG), welche Gnant leitet: Die "Knochenhärter" haben nämlich einen vorbeugenden Effekt gegen das Auftreten von Fernmetastasen bei Brustkrebs und senken so die Rückfallsrate, was längerfristig auch die Sterblichkeit der Patientinnen deutlich reduziert. (APA, 20.3.2017)