Eine Umfrage über die Vorurteile und Diskriminierung von Frauen im Silicon Valley sorgte in den USA für Schlagzeilen. Viel verbessert hat sich seither aber nicht.

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Frauen werden nicht nur seltener eignestellt als Männer, sie verlassen die Tech-Unternehmen des Silicon Valley auch eher. Die Unternehmen reagieren mit internen Trainings gegen Vorurteile und Quoten.

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Die englische Redewendung findet im Deutschen keine Entsprechung, aber wer vom "elephant in the room" spricht, meint damit ein offensichtliches Problem, das ignoriert wird. Diese Redewendung haben sieben im Silicon Valley arbeitende Frauen zum Titel ihrer Umfrage gemacht. Sie benennen den "elephant in the valley", die Art, wie mit Frauen, die dort arbeiten, umgegangen wird.

Die Ergebnisse der 210 Befragungen haben in den Vereinigten Staaten für Schlagzeilen gesorgt: Der Großteil ist täglich mit Vorurteilen konfrontiert, fühlt sich ausgeschlossen, unterschätzt oder auf das Familienleben reduziert. 60 Prozent der befragten Frauen – viele davon in leitender Position – wurden sexuell belästigt – mehr als die Hälfte davon mehr als einmal – und ein Großteil bemängelte dabei, dass solche Fehltritte keine Konsequenzen zeitigen würden.

Ziele werden nur langsam erreicht

Der Aufschrei war damals (2015) groß und viele Tech-Konzerne verpassten sich selbst Quoten, wollten weiblicher und ihren weiblichen Mitarbeitern gegenüber toleranter werden. Denn es blieb nicht nur bei der Studie, immer mehr Frauen gingen mit ihren Erlebnissen an die Öffentlichkeit und auf Twitter reagierten zehntausende Frauen mit dem Hashtag #looklikeanengineer auf Zweifel gegenüber einer bei einer Kampagne abgelichteten Entwicklern. Diese wäre zu hübsch um tatsächlich Entwicklerin zu sein, kommentierten damals viele auf Social Media.

Zwei Jahre später sieht der Arbeitsalltag für Frauen in einem Landstrich, in dem einige der fortschrittlichsten Technologien der Welt entwickelt werden, aber noch nicht viel besser aus. Das aktuellste Beispiel hierfür ist Susan J. Fowler, die auf ihrem Blog von einem Jahr bei Uber berichtet. An ihrem ersten Tag im neuen Team schickte ihr der Teamleiter demnach mehrere Nachrichten mit sexuellen Anspielungen. Fowler machte sofort Screenshots und meldete ihn der Personalabteilung. Die Folge: Nicht er, sondern sie musste das Team verlassen, schließlich sei es sein erster Vorfall gewesen. Fowler lernte mit der Zeit andere Uber-Frauen kennen. Auch sie berichteten von ähnlichen Erlebnissen, teilweise sogar mit dem gleichen Manager. Gemeinsam ging man wieder zur Personalabteilung, wo beteuert wurde, dass der betroffene Mitarbeiter nicht mehrere Male aufgefallen sei. Nach ein paar Wochen habe er Uber allerdings verlassen, schreibt Fowler. Uber reagierte nun und gab bekannt, eine Untersuchung einzuleiten.

Hohe Drop Out Quote

Die Entwicklerin berichtet aber nicht nur von sexueller Belästigung, ihr wurde auch eine Beförderung verwehrt, obwohl sie ihre Aufgaben gut und zeitgerecht erledigte und von ihren Vorgesetzten gute Bewertungen bekam. Warum sie nicht aufsteigen darf, konnte ihr – laut eigener Aussage – nicht genau erklärt werden. Nach mehreren Nachfragen wurde ihr gesagt, dass manchmal auch das Verhalten außerhalb der Organisation disqualifiziere und dass eben Menschen mit bestimmtem Geschlecht oder Hautfarbe für manche Jobs besser gemacht seien, als für andere. Fowler verließ Uber nach etwa einem Jahr.

Erschwertes Fortkommen in der Karriere ist dann auch einer der wichtigsten Gründe, warum so viele Frauen die Tech-Szene wieder verlassen. Mehreren Untersuchungen zufolge spielt aber auch eine Rolle, dass Frauen in Meetings öfter unterbrochen werden, dass sie stark nach ihrer Persönlichkeit, statt ihres Wissens oder Könnens bewertet werden und dass sie es schwerer haben, Investoren zu finden und Kapital zu akquirieren. Gleichzeitig beweist eine Studie, dass Beiträge von Frauen für Open-Source-Software öfter akzeptiert werden, als die von Männern – allerdings nur, wenn das Geschlecht nicht angegeben ist.

Die Crux mit den Vorurteilen

In der Psychologie nennt man solche Reaktionen einen "unconscious bias" – unbewusste Vorurteile. Niemand ist gegen diese Assoziationen immun, wie zahlreiche Neurowissenschafter und Sozialpsychologen bereits feststellten. Den berühmtesten Test mit dem diese Vorurteile entlarvt werden können, hat Anthony Greenwald Mitte der 1990er erstellt: Den so genannten "Impliziten Assoziationstest". Hier sollen Testpersonen Reize kategorisieren, die entweder eine bestimmte Eigenschaft aufweisen (zum Beispiel männlich oder weiblich) oder einem von zwei Zielkonzepten angehören, die sich nicht überlappen (zum Beispiel technischen Disziplinen oder den Geisteswissenschaften).

Tatsächlich werden solche Tests derzeit in vielen Unternehmen im Silicon Valley durchgeführt. Das Silicon Valley wäre auch nicht das Silicon Valley, wenn es nicht bereits an technischen Lösungen gegen Vorurteile basteln würde. Es gibt mittlerweile mehrere Apps und Software für Personalabteilungen, die Hinweise auf das Geschlecht aus Stellenanzeigen oder Lebensläufen filtern. Allerdings gibt es auch kritische Äußerungen zum Vorurteil-Ansatz. Zwei Wissenschafterinnen konnten in einer Studie nachweisen, dass das Wissen über Vorurteile eher dazu führt, diese in Kauf zu nehmen.

Von Quoten und Zielen

Manche Unternehmen verpassen sich deswegen Quoten – zum Beispiel Intel, obwohl das Wort "Quote" vermieden wird. Der Mikrochip-Hersteller spricht lieber von Zielen. 2015 lautete dies, dass 40 Prozent der Neuanstellungen Frauen sein sollten. Um dies zu erreichen knüpfte Intel auch Geld an diesen Wunsch: Werden die Zielvorgaben bezüglich Diversity erreicht, gibt es mehr und spezielle Boni für alle Mitarbeiter. Seither werden die Ziele (auch für die Management-Ebene) nicht nur erreicht, sondern teilweise übertroffen.

Am erfreulichsten sei jedenfalls, schreibt Autorin Liza Mundy in ihrem Essay für The Atlantic, dass neu gegründete Unternehmen bereits von Beginn an auf Ausgeglichenheit zwischen Geschlechtern und Herkunft achten würden. Sie nennt hier etwa Slack, den Gruppen-Nachrichten-Service. Als dem Start-Up 2016 ein Preis überreicht wurde, nahm diesen nicht der CEO, sondern drei afroamerikanische Entwicklerinnen entgegen. (lhag, 25.3.2017)