Stuttgart – Im Pleiteprozess gegen den früheren Drogeriemarkt-Unternehmer Anton Schlecker haben die mitangeklagten Wirtschaftsprüfer des Beratungsunternehmens EY ihre Unschuld beteuert. Die rund 320 Mio. Euro, die die Familie Schlecker in einer Art Ringtausch als Eigenkapital der Bilanz des Unternehmens zuschossen, waren nach Darstellung der beiden Prüfer korrekt verbucht.

"Das war ein gesundes Unternehmen", sagte der mittlerweile im Ruhestand weilende Prüfer Klaus M. am Montag vor dem Landgericht Stuttgart. "Wir haben bis zuletzt unter dem Gesichtspunkt geprüft, dass eine Insolvenz nicht infrage kommt." Noch bei einer Besprechung im August 2011 – ein halbes Jahr vor dem Bankrott – habe Schlecker in einem Gespräch persönlich die Liquidität der Firma bestätigt.

Die Experten räumten allerdings ein, dass sie nur die Bilanz des Einzelkaufmanns Anton Schlecker prüften, dabei aber keinen Einblick in die Finanzlage des Privatmannes haben konnten. Obwohl beim Einzelkaufmann Person und Firma eins sind, herrscht hier demnach rechtlich keine Transparenz. Zudem gab es einem der Prüfer zufolge zwischen 2007 und 2011 nur zwei persönliche Treffen mit Anton Schlecker. Der 72-jährige frühere Drogeriemarktkönig steht wegen Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts vor Gericht. Seine Ehefrau Christa Schlecker und die beiden Kinder Lars und Meike Schlecker sitzen wegen Beihilfe mit auf der Anklagebank.

Den Beratern von EY (Ernst&Young) werfen die Strafverfolger vor, stille Einlagen von Lars und Meike Schlecker sowie ein Darlehen der beiden an ihren Vater fälschlich als Eigenkapital genehmigt zu haben. Die Wirtschaftsprüfer hätten deshalb einen falschen Bestätigungsvermerk für die Bilanzen 2009 und 2010 erteilt – eine Straftat, die im Fall eines Schuldspruchs mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren geahndet werden kann. Im Fall des Darlehens von 50 Mio. Euro, das die Schleckers über die Logistikfirma des Drogerieimperiums LDG dem Vater übertrugen, sind sich die Prüfer sicher: Auch ein Einzelkaufmann könne so wie jeder andere Gesellschafter einen Kredit aufnehmen und dies über eine Privateinlage in Eigenkapital umwandeln.

Ob die stillen Einlagen, die sich von 1999 bis 2009 auf 270 Mio. Euro summierten, als Eigenkapital gelten, ist dagegen Auslegungssache. "Die bilanzielle Behandlung stiller Einlagen gehört zu den umstrittensten Themen des Bilanzrechts", erklärte Klaus M., der früher ehrenamtlich für das renommierte Institut der Wirtschaftsprüfer aktiv war. Es gebe unter Juristen dazu keine einheitliche Meinung. Entscheidend sei, wie die Kapitalüberlassung gestaltet sei. Im Fall Schlecker habe aus Sicht von EY aber nichts gegen die Bilanzierung gesprochen. Anton Schlecker entnahm Eigenkapital, schenkte es seinen Kindern, und diese führten es wieder als Einlagen stiller Gesellschafter zurück in die Bilanz. Schlecker habe damit seine Kinder in das Unternehmen einbinden wollen, ohne die Rechtsform des "eingetragenen Kaufmanns" mit ihm als Alleinunternehmen ändern zu müssen. Die stille Einlagen waren damit langfristig für das Unternehmen ausgelegt. Sie wurden mehrmals erhöht.

Die Darstellung der Wirtschaftsprüfer widerspricht damit nicht der von Schlecker selbst dargelegten, wonach der Unternehmer von seiner Pleite Anfang 2012 überrascht war. Schlecker hatte erklärt, er habe so wie schon in früheren schwierigen Situationen einen Ausweg gesehen.

Nach Überzeugung der Anklage war das Unternehmen bereits 2009 pleite, die Insolvenz wurde aber erst Anfang 2012 angemeldet. Schlecker habe zu diesem Zeitpunkt weder nennenswertes Vermögen gehabt, um die seit Jahren angefallenen Verluste auszugleichen, noch Aussicht auf Kredite.

Die Anwälte der mitangeklagten Christa, Lars und Meike blockten vor Gericht abermals eine Darstellung ihrer aktuellen Verhältnisse ab. Richter Roderich Martis eröffnete deshalb die Beweisaufnahme in dem Mammutprozess, die für alle Beteiligten mit der Lektüre von zwei dicken Ordnern Dokumenten losgeht. (APA/Reuters, 20.3.2017)