Außenminister Sebastian Kurz (rechts) zu Gast in London, wo er unter anderem mit dem britischen Außenminister und Brexit-Befürworter Boris Johnson zusammentraf.

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Neun Monate nach der Brexit-Volksabstimmung vom vergangenen Juni will Großbritannien am 29. März Ernst machen. Am Mittwoch kommender Woche wird Premierministerin Theresa May den Brüsseler Gremien den Austritt der Insel binnen zwei Jahren mitteilen. Die Londoner Politik ist bereits völlig auf die bevorstehenden Verhandlungen fokussiert: Am Montag umwarben Mays Minister den österreichischen Außenminister Sebastian Kurz, dessen Land in der Entscheidungsphase im Herbst 2018 die EU-Präsidentschaft innehaben wird.

Der Reisende aus Wien durfte nicht nur mit seinem britischen Pendant Boris Johnson frühstücken, sondern traf auch mit Finanzminister Philip Hammond sowie dem Brexit-Minister David Davis zusammen. Dabei erhielt die ÖVP-Nachwuchshoffnung (30) die Einladung, beim nächsten Tory-Parteitag im Herbst als ausländischer Redner aufzutreten. Kurz äußerte sich zufrieden über die "guten Gespräche". Ein fairer Deal sei von beiderseitigem Interesse. "Der Brexit ist Realität und wird irrsinnige Kraft freisetzen."

In den Gesprächen ging es stets auch um die finanziellen Forderungen, mit denen EU-Verhandler Michel Barnier jüngst die Briten verschreckte. Im Raum stehen Summen von 60 Milliarden Euro.

Werben um die Regionen

Die Londoner Regierung redet über zukünftige Zahlungen in bestimmte EU-Programme bisher nur hinter vorgehaltener Hand oder in Nebensätzen. Das dürfte eine Folge des hohen Drucks der Medien sowie der EU-Feinde in der eigenen Fraktion sein.

Während ihre Minister außenpolitisch Verbündete zu gewinnen versuchten, warb die Regierungschefin beim walisischen Ministerpräsidenten Carwyn Jones (Labour) in Cardiff um innenpolitische Rückendeckung. Erst vergangene Woche war May scharf mit Schottlands nationalistischer Regierungschefin Nicola Sturgeon aneinandergeraten: Deren Pläne für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum seien ein verantwortungsloses politisches Spiel. Die Vorsitzende der Nationalpartei SNP will sich am Mittwoch vom Edinburgher Parlament die Rückendeckung für die Volksabstimmung holen. Deren Termin bleibt offen. May will auf jeden Fall verhindern, dass die Schotten vor dem EU-Austritt abstimmen.

Die Rangeleien mit den Regionen kommen der Zentralregierung denkbar ungelegen in einem Zeitraum, in dem die legalen Aspekte des Brexits Aufmerksamkeit beanspruchen. Einer Expertise des unabhängigen Instituts für Regierungsstudien IfG zufolge macht der Brexit in den kommenden zwei Jahren insgesamt 15 neue Gesetze nötig. (Sebastian Borger aus London, 20.3.2017)