Rosa Braber, Peter Beil und Grischka Voss (von links).

Foto: Barbara Palffy

Wien – Den Sitz haben Sie sich extra ausgesucht? Das wollen wir doch gleich ändern! Zwei Damen platzieren das Publikum in der White Box in der Wiener Kirchengasse gleich nach dem Eintreten um. So unmittelbar sind die Situationen, die Grischka Voss für ihre Performance Invidia gewählt hat. Zugleich aber sind sie schwer übertrieben: Wallende Perücken tragen die beiden Platzverweiserinnen. Eine muss ihr Haar raffen, um nicht darüber zu stolpern.

Die Bedeutung des dem Lateinischen entlehnten Titels ist vielfältig. Mit Neid, Feindschaft, Gegnerschaft, Hass und Missgunst lässt er sich übersetzen. Alle diese Spielarten der orange-roten zwischenmenschlichen Begegnungszone durchleben Voss und Rosa Braber während 90 Minuten.

Immer wieder erwachsen Konflikte dabei aus Konkurrenz, beispielsweise zwischen zwei Schwestern, von der jüngeren gegenüber der älteren. Spätestens als die aber in Lackoverkneestiefeln für die Männerwelt verrenkt dasteht und die kleinere sie imitiert, ist klar: Oft gründet Neid bloß auf einem Mangel an besserem Wissen.

Es sind Kurz- und Kürzestszenen, die sich schnell lesen lassen. Manche wie die Variation des Schneewittchenmärchens sind von der tragischen Komik eines gespielten Witzes, manche von berührender Sanftheit, etwa wenn krallenbewährte Finger hinter einer Schattenwand nach einem Körper zupfen, der unter den gierigen Häschern immer weiter in sich zusammenschrumpft.

Wortlos zu einem Livesoundtrack (KMET) reizen Voss, Braber und der mit ihnen tanzende Peter Beil hinter dicker weißer Schminke Gestik und Mimik bis ans Groteske, bis an die Fratze aus. Überhaupt geschieht mehreres aus dem Hineinsteigern. Aus Harmonie und Spiel wird dann Zank. Der Schritt von Invidia zu Individuation ist nicht weit. Toll! (wurm, 20.3.2017)