Die tiefe Hirnstimulation könnte eine Behandlungsoption bei schwerer Depression sein. Derzeit wird das Verfahren an 50 Probanden getestet.

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Freiburg – Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO leidet weltweit 322 Millionen Menschen an Depressionen. Besonders schwierig zu behandelt sind schwere Formen der psychischen Erkrankung. Forscher des Universitätsklinikums Freiburg testeten nun die Wirksamkeit einer tiefen Hinstimulation über den Zeitraum von vier Jahren an acht Patienten.

"Der größte Teil der Patienten spricht auf die Therapie an. Einzigartig ist, dass sie dies auch dauerhaft tun. Andere Therapieformen verlieren oft im Laufe der Zeit ihre Wirksamkeit. Damit ist die tiefe Hirnstimulation ein vielversprechender Ansatz für Menschen mit bisher nicht behandelbarer Depression", sagt Studienleiter Thomas Schläpfer, Leiter der Abteilung für Interventionelle Biologische Psychiatrie vom Universitätsklinikum Freiburg.

Hauchdünne Elektroden implantiert

Die tiefe Hirnstimulation ist ein auf leichten elektrischen Reizen basierendes Verfahren, mit dem präzise gewählte Bereiche des Gehirns beeinflusst werden können. Die acht Probanden litten zwischen drei und elf Jahre durchgehend an einer schwersten Depression, bei der weder medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlungen noch Stimulationsverfahren wie die Elektrokrampftherapie Besserung brachten.

Für die Studie implantierten die Ärzte den Patienten hauchdünne Elektroden und stimulierten einen Hirnbereich, der an der Wahrnehmung von Freude beteiligt und damit auch für Motivation und Lebensqualität von Bedeutung ist. Die Wirkung der Therapie bewerteten die Ärzte monatlich mit Hilfe der etablierten Montgomery-Asberg Rating Scale (MARDS). Bereits im ersten Monat fiel der MARDS-Wert im Durchschnitt von 30 Punkten auf 12 Punkte und sank bis zum Ende der Studie sogar noch weiter leicht ab.

Kaum Nebenwirkungen

Ab einem MARDS-Wert von 10 Punkten wird eine Depression diagnostiziert. In der Untersuchung unterschritten die Hälfte der Probanden – also vier Personen – diesen Schwellenwert. Allerdings waren auch Nebenwirkungen zu verzeichnen: Manche Patienten litten kurzzeitig unter verschwommenem Sehen oder unter Doppelbildern. "Die Nebeneffekte konnten wir durch eine verminderte Stimulationsstärke beheben, ohne dass der antidepressive Effekt der Therapie nachgelassen hätte", sagt Volker Coenen, Mitautor der Studie. Insgesamt zeigten sieben der acht behandelten Patienten bei kontinuierlicher Stimulation auch nach vier Jahren anhaltende Verbesserungen der Symptome.

Den Forschern zufolge waren bei keinem der Patienten Persönlichkeitsveränderungen, Denkstörungen oder andere Nebenwirkungen zu beobachten. Sollte die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie in einer weiteren – derzeit laufenden – fünf Jahre dauernden Studie mit 50 Patienten bestätigt werden, sieht Coenen die Möglichkeit einer europäischen Registrierung des Therapieverfahrens. Das würde den Einsatz der Therapie auch außerhalb von Studien erlauben: "Für Patienten mit schwerster Depression könnte eine solche tiefe Hirnstimulation in einigen Jahren eine wirksame Behandlungsoption sein", hofft Coenen. (red, 21.3.2017)