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Big Sister is watching you. Im Vorjahr gab es bei der Justiz 5.258 Anträge auf Überwachung der Nachrichtenübermittlung. In den meisten Fällen handelte es sich um Standort- und Netzwerkdaten von Handys.

Foto: AP / Sebastian Kahnert

Wien – Die österreichische Justiz greift in den von ihr geführten Strafverfahren immer öfter zu Überwachungsmaßnahmen. Die Zahl der von den Staatsanwaltschaften beantragten derartigen Maßnahmen – von Hausdurchsuchung über Telefonüberwachung bis zur "optischen und akustischen Überwachung von Personen" – ist zwischen 2015 und 2016 um ungefähr fünf Prozent, von 12.571 auf 13.236, gestiegen.

Am häufigsten wurden im Vorjahr Auskünfte über Daten aus Nachrichtenübermittlungen beantragt (5.258-mal), am zweithäufigsten Hausdurchsuchungen (3.900). In den allermeisten Fällen genehmigen die Gerichte die von den Staatsanwaltschaften kommenden Anträge. Die durchgeführten Telefonüberwachungen kosteten die Justiz im Vorjahr 12,5 Millionen Euro. Dabei handelt es sich rein um den Sachaufwand, die Personalkosten sind in diesem Betrag nicht inkludiert.

Parlamentarische Anfrage der Neos

All das erschließt sich aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos rund um Abgeordneten Nikolaus Scherak. Sie wollten von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) erfahren, wie viele dieser "in die Privatsphäre der Bürger eingreifenden Überwachungsmaßnahmen" die Justiz durchgeführt hat – und wie die entsprechenden Strafverfahren ausgegangen sind. Also ob sie mit Einstellung, Anklage, Verurteilung, Freispruch oder Diversion geendet haben.

Justizminister Brandstetter beteuerte in seiner Antwort vom 17. März, entsprechende Maßnahmen würden "mit großem Bedacht" angeordnet und nach "sorgfältiger Interessenabwägung und Prüfung der Verhältnismäßigkeit". Was die konkreten, vom Bundesrechenzentrum fürs Justizressort ausgehobenen Zahlen betrifft, betont ein Sprecher des Ministeriums, es handle sich um "Annäherungswerte".

Wer wann mit wem

Ein Blick auf diese "Annäherungswerte" zeigt, dass öfter ermittelt wird, wer, wann mit wem und wo telefoniert (das sind die oben genannten 5.258 Fälle), die Inhalte dieser "Nachrichtenübermittlung" werden aber seltener überwacht. Laut den von Brandstetter ans Parlament übermittelten Tabellen war das im Vorjahr 3.031-mal der Fall. Der Grund dafür: Das Abhören setzt gemäß Strafprozessordnung (StPO) unter anderem einen dringenden Tatverdacht voraus. In 232 Fällen beantragten die Staatsanwälte den sogenannten Lauschangriff ("Optische und akustische Überwachung von Personen").

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) stellte laut Ministerium keinen einzigen solchen Antrag, am häufigsten greift die Staatsanwaltschaft Wien zu diesem Mittel (36 Anträge). Sie liegt mit rund 5.700 Überwachungsmaßnahmen bundesweit überhaupt voran, die Grazer Staatsanwaltschaft folgte im Vorjahr mit knapp 1.800 beantragten Überwachungen.

3.000 Personen angeklagt

Und wie enden nun die Verfahren, in denen die Verdächtigen, Beschuldigten beziehungsweise Angeklagten abgehört, deren Häuser durchsucht oder die anderweitig observiert wurden? Fast 3.000 Personen wurden angeklagt – mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2015. Die Verfahren von rund 1.000 Personen wurden im Vorjahr eingestellt. Verurteilt wurden etwas mehr als 2.000 Leute, freigesprochen nur 114. Etwas weniger kamen mit einer Diversion (gerichtlicher Tatausgleich ohne Verurteilung) davon. Diese Zahlen beinhalten allerdings Überwachungen während der gesamten Verfahrensdauer, also auch länger zurückliegende.

Ganz konkrete Daten sollen noch heuer im Gesamtbericht der Justiz zum "Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen" folgen. (Renate Graber, 21.3.2017)