Nein, das Frühstück gibt's erst später. Jetzt werden Hanteln gehoben und Seile geschwungen. Es ist kurz vor acht, und Olivia Cooney hat schon wieder prächtige Laune. "Hey guys", ruft sie über den Sportplatz vor dem Hotel, "are you ready?"

Promis und Bootcamps: Olivia Cooney macht Menschen schwitzen.
Foto: Olivia Cooney

Nein, sind wir nicht. Die vier Trainings vom Tag zuvor sitzen dem Grüppchen gehörig in den Knochen. Kaum einer hat gut geschlafen, wirklich warm ist es um diese Tageszeit auch noch nicht. "Fangen wir an!" Eine Runde um den Sportplatz, einige Aufwärmübungen, dann geht's los mit dem Fitnessparcours. Während die drei Frauen und vier Männer, die für dieses lange Wochenende nach Gstaad gekommen sind, um sich so richtig zu verausgaben, noch in den Betten lagen, hat Cooney bereits sieben Fitnessstationen aufgebaut. Je zwei Minuten, dann wird gewechselt. Pausen gibt's nicht, dafür aufmunternde Worte: "Jetzt macht mal – oder wollt ihr nie zum Frühstück kommen?!"

Celebrity-Trainerin

Olivia Cooney (24) ist das, was man eine Celebrity-Trainerin nennt. In der Innenstadt Londons trainiert sie "Vogue"-Redakteure und die Mitarbeiter einer Model-Agentur. Jedes Frühjahr bietet sie in einer Villa in Ibiza, wo Kate Moss regelmäßig Urlaub macht, ein einwöchiges Fitnesscamp an – mit eigenem Koch und tollem Ausblick. Bootcamp will sie nicht dazu sagen. Denn das würde etwas suggerieren, wofür Cooney definitiv nicht steht: Drill statt Sport, harte Pritschen statt ausladender Boxspring-Betten. "Ich will, dass sich die Leute wohlfühlen", sagt sie, während die Fruchtsäfte nach dem morgendlichen Training serviert werden. Danach gibt's Eier und einen Protein-Shake. Und das Brot? "Wenn es unbedingt sein muss", sagt sie und verdreht die Augen.

Klimmzüge gehören zum Standardprogramm von Schweiß-und-Boden-Bootcamps. Saure Muskeln kriegt man aber auch bei der luxuriösen Variante.
Foto: iStock / Kuzma

Na ja, okay, muss vielleicht nicht sein. Kaum Kohlenhydrate und viel Eiweiß, der Weg zur Wochenendfitness ist mit viel Fisch und ein paar Körnern Naturkornreis gepflastert. Seebarsch-Tatar mit Wakame-Algen wird es zu Mittag auf der Terrasse des Gstaader Luxushotels Grand Hotel Park geben. Davor gilt es allerdings noch zwei weitere Trainingseinheiten zu absolvieren. Um 10.30 Uhr steht ein Kettle-Core-Workout auf dem Programm. Kettle- was? Kettlebells, erklärt einer der Mitschwitzenden, sind Kugelhanteln. Man kann sie in die Höhe stemmen und über dem Kopf schwingen, man kann sie vor den Oberkörper wuchten oder sich mit ihnen nach hinten drehen. Wie befürchtet hat Cooney das gesamte Repertoire im Arsenal – und natürlich noch ein paar Übungen mehr. "Nicht schlappmachen, Leute, ihr habt noch einiges vor euch!"

Seebarsch-Tatar mit Wakame-Algen wird es zu Mittag auf der Terrasse des Gstaader Luxushotels Grand Hotel Park geben. Davor gilt es allerdings noch zwei weitere Trainingseinheiten zu absolvieren.
Foto: Grand Hotel Park Gstaad

Wie eingerostet haben die Muskeln in der Früh gewirkt, mittlerweile hat der Schmerz nachgelassen. Dafür rinnt der Schweiß in Strömen, die Gesichter der Mitsportler sind wahlweise hochrot oder käseweiß. Niemand hier trainiert für den Ironman, nach dem Training zünden sich die Ersten eine Zigarette an. "Was hat dich geritten hierherzukommen?" Die schöne Aussicht auf die Schweizer Gletscherwelt ist es bei den wenigsten. Dafür das schlechte Gewissen, in der letzten Zeit zu wenig Sport gemacht zu haben, oder eine verlorene Wette.

Musekelkrampfprogramm

Aus dem Mund Olivia Cooneys klingen die Gründe, warum sich Menschen ein dreitägiges Muskelkrampfprogramm antun, etwas anders: Da fallen Begriffe wie "sich spüren" und "loslassen", "Detox" und "Reinigung". Von "die Sau rauslassen" ist dagegen nicht die Rede.

Im Unterschied zu Bootcamps, bei denen die Teilnehmer durch den Schlamm robben und Liegestütze bis zum Einknicken absolvieren, um sich hinterher an Linsen mit Knödeln zu laben, hat Cooney Workouts im Programm, die auch in Fitnessstudios angeboten werden. Trainings mit hoher Intensität folgen auf welche mit niedriger, abwechselnd werden unterschiedliche Muskeln trainiert. Auch wenn einem das nicht immer so vorkommt: "Bevor wir zum Mittagessen gehen: noch eine Runde Bauchmuskeltraining!" Es ist Viertel vor eins, so gierig war man selten auf die marinierten Algen und das Gazpacho, das es davor gibt. "Na kommt, dauert auch nur eine halbe Stunde!"

Pool & Refuel

Die Sonne sticht hinter dem Dachgiebel des mit allen Annehmlichkeiten gesegneten Hotels hervor, ein paar Hotelgäste beobachten aus dem Pool heraus das sportverrückte Grüppchen. Nach dem Mittagessen werden auch wir die Wärme des Schwimmbads, äh, genießen können – "Pool & Refuel" steht um halb drei auf dem Programm. Jeder bekommt eine Schaumstoffwurst, und los geht's mit dem Unterwassergehopse, -gehüpfe und -gestrampel.

"Pool & Refuel": Mit einem Seniorenplanschprogramm hat das Ganze nichts zu tun, die Intensität kann locker mit einem Waldlauf mithalten.
Foto: Grand Hotel Park Gstaad

Mit einem Seniorenplanschprogramm hat das Ganze nichts zu tun, die Intensität kann locker mit einem Waldlauf mithalten. Glücklicherweise ist dieser erst für den nächsten Morgen angesetzt, in lockerem Tempo, wie es so schön heißt. Blöderweise halten sich nicht alle daran, man will doch sehen, wer nach zwei Tagen und acht Trainings die Energie für einen Waldsprint aufbringt. "Come on guys", ermahnt Cooney die wilden Burschen und verdreht die Augen. Nächstes Mal vielleicht doch ein Bootcamp der testosterongeschwängerten Art. Wobei: Viel mehr ins Schwitzen kommt man dort auch nicht. (Stephan Hilpold, RONDO, 28.3.2017)