Sebastian Vettel in seiner schnellen "Gina".

Foto: APA/AFP/WILLIAM WEST

Ein neues Podest in einer neuen Saison.

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Melbourne – Die Vorherrschaft von Mercedes ist zumindest unterbrochen. Die Formel 1 und speziell Sebastian Vettel atmen durch. Der Deutsche gewann im Ferrari den GP von Australien in Melbourne. Lewis Hamilton wurde Zweiter.

Melbourne – Als er die Formel-1-Welt ein wenig aus den Angeln gehoben hatte, entdeckte Ferrari-Erlöser Sebastian Vettel die Leichtigkeit seiner großen Zeiten wieder. Nach dem souveränen Sieg beim Saisonstart in Australien über die seit Jahren unschlagbar scheinenden Silberpfeile streichelte der viermalige Weltmeister seine "Gina" wie ein Frischverliebter. Dann sprang er scheinbar schwerelos in das rote Meer seiner leidgeprüften Mechaniker und bewegte sogar den kühlen Ferrari-Chef Sergio Marchionne zu emotionalen Worten des Dankes.

Nach 553 langen Tagen ohne Grand-Prix-Sieg bewies der 29-jährige Deutsche mit seinem Triumph vor Mercedes-Star Lewis Hamilton sich und der stolzen Scuderia, dass sie es noch können. Und er ließ die Formel 1 hoffen, dass die erdrückende Dominanz von Triple-Weltmeister Mercedes nach dem Rücktritt von Champion Nico Rosberg und der Einführung des neuen Aerodynamik-Reglements beendet ist.

Erleichterung

"Forza Ferrari, grande macchina", rief der vierfache Weltmeister Vettel nach der Zieleinfahrt in den Boxenfunk und lobte sein "großartiges" neues Auto. "Das war ein fantastisches Rennen von uns und genau das, was wir gebraucht haben. Großartiger Job von allen an der Strecke und in Maranello. Das ist für euch alle", sagte ein sicht- und hörbar befreiter Vettel.

Mit seinem Coup erweichte er auch das Herz von Marchionne, der dem Team aus der Heimat einen Gruß zusandte. "Es wurde Zeit", sagte der 64-Jährige. "Wir haben auf diesen Sieg fast eineinhalb Jahre gewartet. Endlich wieder die italienische Nationalhymne zu hören war sehr bewegend."

Bodenhaftung

Vettel selbst freute sich auf eine Party, bei der "wir ein bis drei Flaschen Prosecco aufmachen". Vom Titel wollte der Ex-Champion aber noch nicht sprechen, das wäre verfrüht und auch ein bisserl blöd. "Wir müssen die Füße am Boden lassen. Es ist ein weiter Weg. Es ist noch zu früh, auf das Tableau zu schauen", sagte der nun 43-fache Grand-Prix-Sieger.

Bei Mercedes herrschte nach den Plätzen zwei durch Hamilton und drei durch Rosberg-Nachfolger Valtteri Bottas dagegen Alarmstufe Rot. "Wir waren einfach nicht schnell genug", haderte Motorsportchef Toto Wolff, "und die Reifen haben zu schnell abgebaut. Das war heute ein Weckruf für uns. Manchmal ist es für die Persönlichkeit ganz gut, wenn man eine Watsche bekommt, und das war heute der Fall." Auch Hamilton blickte mit aufeinander gepressten Lippen ins weitgehend rot gefärbte Menschenmeer in Melbourne und klatsche Vettel höflich, aber sichtlich gequält Beifall. Spätestens jetzt weiß der Brite: Trotz des Rücktritts seines langjährigen Teamrivalen Rosberg wird es für ihn wohl ein steiniger Weg zum ersehnten vierten Titel. Mercedes hat nach 51 Siegen aus den vorherigen 59 Rennen wieder einen echten Gegner. Einen, der nicht nur auf Glück angewiesen ist, um zu siegen.

Hamilton, der in Melbourne zum sechsten Mal insgesamt und zum vierten Mal infolge von der Pole-Position ins Rennen ging, verteidigte seinen ersten Platz nach dem Erlöschen der Ampeln zunächst mühelos, der Brite konnte sich von Vettel aber kaum absetzen. Die Wege der beiden Top-Fahrer trennten sich erst durch Hamiltons Reifenwechsel in der 17. Runde vorläufig und mitentscheidend für den Rennausgang.

Zielstrich

Danach blieb Hamilton im Verkehr hinter dem Niederländer Max Verstappen im Red Bull stecken, während Vettel an der Spitze eine schnelle Runde nach der anderen hinlegte und nach seinem eigenen Stopp die Spitze behauptete. Woraufhin Mercedes-Motorsportchef Wolff vor Wut auf seinen Tisch am Kommandostand schlug. Bis zum Zielstrich sollte sich an dieser Reihenfolge nichts mehr ändern.

Vettel kontrollierte das Geschehen, Hamilton und Bottas sicherten ihre Plätze ab. Fortsetzung am 9. April in Schanghai. (red, sid, 26.3.2017)