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Diese Flüchtlinge wurden im Februar vor Libyen gerettet. Österreich soll Italien bei der Aufnahme entlasten, doch bisher gab es einen Aufschub der EU-Vereinbarung.

Foto: AP / Sima Diab

Wien – Zank, Streit, Krach, Zwist: Für das, was die Koalition im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik vom Zaun gebrochen hat, gibt es viele Synonyme. In der polemisch geführten Kontroverse geht es um Kritik von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) an Rettungsmaßnahmen im Mittelmeer sowie um die Aufschiebung der mit der EU vereinbarten Übernahme von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland.

Im Disput um das Flüchtlingsverteilungsprogramm der EU ("Relocation-Programm") rückten am Sonntag die Klubobleute von ÖVP und SPÖ mit harten Verbalbandagen aus. Die ÖVP warf Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern einen "Zickzackkurs" vor, die SPÖ sprach von "Aussendungen aus der Giftküche".

Hintergrund des Konflikts ist die von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) zugesagte Übernahme von rund 50 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus Italien. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) lehnt diese ab, Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sprach sich für einen Aufschub für Österreich in Sachen Flüchtlingsumverteilung aus, weil das Land ohnehin schon so viele Asylwerber betreue.

Programm 2015 beschlossen

ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka forderte von Kern deshalb, den Regierungskurs auf EU-Ebene richtigzustellen. Auf EU-Ebene habe Kern den Umverteilungsprozess nämlich mehrmals mitgetragen, sein Verteidigungsminister spreche sich nun aber gegen Relocation aus. Lopatka: "Wo ist da die Linie?"

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder bezeichnete das am Sonntag als "Fake-News". Österreich habe sich in der Flüchtlingsfrage in den vergangenen Jahren als besonders solidarisch erwiesen, weshalb Sobotkas Vorgängerin, Johanna Mikl-Leitner, eine Ausnahme bei der Relocation erzielen konnte. "Es wäre die Aufgabe des Innenministers gewesen, eine Verlängerung dieser Ausnahme im Interesse Österreichs zu erwirken", meint Schieder.

Bisher hatte das Thema zwischen den beiden Regierungsparteien für keinen Dissens gesorgt. Die 2015 beschlossene Umverteilung sah ursprünglich vor, dass bis Herbst 2017 insgesamt 39.600 Flüchtlinge aus Italien und 66.400 aus Griechenland von anderen EU-Staaten übernommen werden. Für Österreich bedeutete das 1.491 Flüchtlinge aus Griechenland und 462 aus Italien.

Kritik der EU-Kommission

Wegen des Aufschubs der Vereinbarung sitzt Österreich derzeit mit Ungarn und Polen in einem Boot, wo ebenfalls bisher kein einziger Flüchtling aus dem Relocation-Programm aufgenommen wurde. Die EU-Kommission hat Österreich deswegen bereits massiv kritisiert. EU-weit dürften die Ziele aber auch nur bestenfalls zu rund 40 Prozent erreicht werden.

SPÖ-Klubchef Schieder kritisierte außerdem noch einmal die Aussage von Außenminister Kurz, wonach die EU ein "Schlepperförderungsprogramm" betreibe. Kurz hatte am Freitag bei einem Besuch der EU-Grenzschutzagentur Frontex auf Malta die Rettungsaktionen von Hilfsorganisationen im Mittelmeer scharf kritisiert – DER STANDARD berichtete. Das Vorgehen der Helfer würde Schleppern indirekt das Geschäft erleichtern, Kurz sprach wörtlich von einem "NGO-Wahnsinn". Bundeskanzler Kern konterte: "Wir können nicht sagen: Warten wir mal, bis so viele ertrunken sind, und dann werden schon weniger kommen. Das ist für uns keine politische Lösung."

Was wiederum ÖVP-Generalsekretär Werner Amon empörte: "Dem Außenminister die menschliche Nächstenliebe abzusprechen ist eines Kanzlers unwürdig. Es ist unerhört, Kurz zu unterstellen, dass er für das Ertrinken von Menschen wäre." (APA, simo, 26.3.2017)