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Alltag in Venezuela: Im erdölreichen Land ist Benzin schon seit längerem ein knappes Gut. Nicht nur in der Hauptstadt Caracas bilden sich vor Tankstellen regelmäßig lange Schlangen.

Foto: reuters

Mehr als 500 Autos stehen in der Schlange vor der Tankstelle in der Nähe des Großmarkts von Maracaibo. Um Brot, Windeln und Maismehl stehen die Venezolaner schon seit Jahren an – dass nun auch Benzin knapp wird, ist neu im Erdölstaat.

Zwischen zwei und vier Stunden stehe er hier täglich, erzählt ein Taxifahrer und schaut zu, wie die Tankwarte Kanister auffüllen und an Vorzugskunden, die den dreifachen Preis dafür bezahlen, weiterreichen. Ohne Schmiergeld geht inzwischen fast nichts mehr in Venezuela.

Blütezeit vorbei

Keine zwei Kilometer von hier liegen im Maracaibo-See die größten Erdölvorkommen Südamerikas. In der Zwei-Millionen-Stadt begann 1922 der venezolanische Ölboom: Maracaibo mit seinen Prachtalleen, Art-déco-Bauten und dem Flughafen gehörte bald zum modernsten, was Südamerika zu bieten hatte. Doch die Blütezeit ist längst vorbei: Viele der Pumpen, die inmitten des Sees das schwarze Gold zutage fördern, stehen still und rosten in der schwülen Tropenhitze vor sich hin. Er habe noch nie so viel Ineffizienz in der Erdölindustrie erlebt wie hier, schimpft der Facharbeiter eines ausländischen Subunternehmers.

Die sozialistische Regierung Venezuelas argumentiert mit Nachschub- und Transportproblemen und schiebt die Schlangen auf eine "Gerüchteküche in den sozialen Netzwerken zur Destabilisierung". Erdölexperte Elio Ohep vom Portal Petroleumworld führt hingegen an, dass die Ölproduktion von einst drei auf rund zwei Millionen Fass (je 159 Liter) täglich gesunken sei. "Davon brauchen wir 700.000 Fass für den heimischen Markt. Doch die Raffinerien sind mangels Wartung und aufgrund von Unfällen in einem bedauernswerten Zustand und arbeiten nur noch zu 30 Prozent ihrer Kapazität", sagt Ohep.

Nur gegen Vorkasse

Der Rest an Benzin müsse deshalb importiert werden, wegen der Wirtschaftskrise sei die Regierung aber in Zahlungsverzug. Oheo: "Die Öltanker in den Häfen entladen nur noch gegen Vorkasse.

Mit der Erdölindustrie bergab ging es nach dem Streik gegen die sozialistische Regierung, den die Bediensteten des Staatskonzerns PDVSA 2002 begannen. Der damalige Präsident Hugo Chávez gewann den Machtkampf und entließ tausende Facharbeiter, die durch treue Parteigenossen ersetzt wurden.

Ineffizienz und Korruption

An die Spitze des Konzerns setzte er Rafael Ramírez, der PDVSA auf den Sozialismus einschwor. Weil Chávez nicht auf die als korrupt verrufene Staatsbürokratie vertraute, musste fortan die gut beleumundete PDVSA subventionierte Nahrungsmittel importieren und verteilen. Die Folge: Ineffizienz und Korruption breiteten sich auch in der PDVSA aus. "Im Gegenzug für seine politische Loyalität bekam Ramírez freie Hand bei der Vergabe lukrativer Aufträge, die von seinem Schwager Baldo Sansó und seinem Neffen Diego Salazar gemanagt wurden", sagt der sozialistische Ex-Gouverneur Carlos Tablante, Autor eines Buchs über die Korruption der vergangenen Jahre.

Die beiden – mittlerweile Millionäre – haben nach Angaben von Tablante die Versicherungen für PDVSA vermittelt, kontrollieren die Finanzen und die Filiale von PDVSA. Die ist auch für die Nahrungsmittelimporte zuständig und hat zuletzt Schlagzeilen gemacht, weil Tonnen von Lebensmitteln verrottet in Lagern gefunden worden sind. Elf Milliarden US-Dollar verschwanden so bei PDVSA, hat eine Untersuchung der bürgerlichen Oppositionsmehrheit im Parlament ergeben. Doch die von der Regierung kontrollierte Justiz bleibt untätig.

Abgezweigt und geschmuggelt

Die Korruption hat längst das ganze Land zerfressen. Schätzungen von PDVSA zufolge kommen täglich an die 100.000 Fass Benzin erst gar nicht auf den Markt, sondern werden abgezweigt und mithilfe der Nationalgarde ins benachbarte Kolumbien geschmuggelt. Denn in Venezuela kostet der Liter umgerechnet nur knapp zehn Euro-Cent – in Kolumbien sind es hingegen 68 Euro-Cent. (Sandra Weiss aus Maracaibo, 28.3.2017)