STANDARD: Frau Wagner, wie geht es Ihnen mit dem Medienrummel rund um Ihre Person? Kommen mehr Kunden in Ihre Beauty Bar, weil Sie bekannt geworden sind?

Wagner: Mir geht es mit dem Rummel gut, ich habe mich daran gewöhnt. Man muss dazusagen, dass ich alles allein mache. Ich habe keine Presseabteilung, keinen Pressesprecher, kein Social-Media-Team hinter mir. Der Aufwand ist groß, daher freue ich mich auch, wenn ich mich anderen Themen zuwenden kann. Und nein, das Auslagenwaxing hat sich nicht durchgesetzt. Wir machen keine höheren Umsätze. Ich bezweifle, dass jemand auf die Idee kommt und sich bei uns waxen lässt, bloß weil über meinen Kosmetiksalon etwas in der Zeitung steht.

STANDARD: Fühlen Sie sich von den Behörden verfolgt?

Wagner: Verfolgt ist der falsche Ausdruck. Nach meinem ersten Posting auf Facebook über den Besuch des Arbeitsinspektors hat es noch ein Gespräch mit den Inspektoren gegeben, das konstruktiv verlaufen ist. Dann kam der Herr Vizekanzler zu mir ins Studio. Zwei, drei Wochen später kamen die Arbeitsinspektoren noch einmal, und da war plötzlich nichts mehr konstruktiv. Mir wurde die doppelte Zahl an Auflagen erteilt. Ich bekam eine Strafanzeige und schließlich eine Steuerprüfung. Ich hab mit Gegenwind gerechnet. Überraschend fand ich Härte und Intensität.

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STANDARD: Dann hat sich auch die Arbeiterkammer eingeschaltet und Ihnen vorgeworfen, Ihre Mitarbeiterinnen schlecht zu behandeln. Warum das, Herr Klein?

Klein: Ich habe den größten Respekt vor Unternehmern, die so wie Sie, Frau Wagner, ein Geschäft hochziehen und Arbeitsplätze schaffen. Und ich habe Verständnis, wenn man hinterfragt, ob bestimmte Dinge nicht überreguliert sind. Aber mit ihrer Facebook-Aktion haben Sie wesentliche Grundwerte des Arbeitnehmerschutzes ins Lächerliche gezogen. Nachdem Sie sich die hohe Politik an Bord geholt haben, hat so etwas wie ein Kreuzzug gegen den Arbeitnehmerschutz begonnen. Wenn eine Stimmung "Business first" und "Weg mit den ganzen Regeln" aufkommt, müssen wir Flagge zeigen. Die Spielregeln dienen nämlich dem Schutz der Schwächeren. Da mussten wir uns wehren.

Wagner: Da sind wir auf einer Linie. Mir liegt es fern, den Arbeitnehmerschutz zu kritisieren. Ich arbeite im Dienstleistungssektor. Meine Firma sind meine Arbeitnehmer. Wenn das nicht so wäre, könnte ich sofort zusperren. Aber Arbeitnehmerschutz ist etwas anderes als die Arbeitsstättenverordnung (die festlegt, wie Arbeitsorte gestaltet sein müssen, Anm.). Diese stammt aus dem Jahr 1998. Damals gab es nicht einmal Waxingstudios. Das ist mein Kritikpunkt: Das Arbeitsinspektorat wendet veraltete Paragrafen nicht mit Augenmaß an.

Der Konflikt beginnt: Im Jänner postet Katja Wagner auf Facebook, dass ihr angeblich von den Arbeitsinspektoren aufgetragen wurde, Intim-Enthaarungen nur noch in Räumen mit Fenstern durchzuführen. Sie biete daher Auslagen-Waxing an. Die Geschichte wird tausendfach geteilt. Das Arbeitsinspektorat hatte Frischluftzufuhr in Waxing-Kabinen gefordert.
Foto: Facebook/Wagner

STANDARD: Das Arbeitsinspektorat hat viele Auflagen erteilt. Es gebe in der Beauty Bar zu wenig Waschplätze, zu wenig versperrbare Wertfächer für Mitarbeiter, eine Brüstung sei um 8,5 Zentimeter zu niedrig. Wirkt das nicht erdrückend?

Klein: Entscheidende Dinge waren verstellte Notausgänge und die Unmöglichkeit, einen Arbeitsraum zu belüften. Kunden und Angestellte müssen bei einem Brand in null Komma nichts draußen sein. Und dass man einen Raum lüften können muss, wenn mit Lösungsmitteln gearbeitet wird, sagt der Hausverstand. Die Vorgaben der Arbeitsinspektoren waren also berechtigt. Aber man muss die Arbeitsweise der Inspektoren kennen. Der erste Schritt ist eine Überprüfung nach den Buchstaben des Gesetzes. Das ist die Phase der Beanstandungen. Das erschreckt möglicherweise. Hier kann man überlegen, die Kommunikation zu ändern und Phase eins mit Phase zwei zu verbinden.

STANDARD: Phase zwei?

Klein: In der zweiten Phase sind Arbeitsinspektoren angehalten, Unternehmer zu beraten und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung geschieht das auch. Dazu eine Zahl: Wir haben im Jahr 120.000 Beanstandungen in Österreich durch Arbeitsinspektoren nach der Arbeitsstättenverordnung. Übrig bleiben 2.000 Strafanzeigen. Also nur jede 60. Beanstandung führt zu einer Anzeige. Warum die Beratung in Ihrem Fall nicht geklappt hat, Frau Wagner, ist mir nicht klar. Ich habe auf Basis Ihrer bisherigen medialen Aussagen das Gefühl, dass Sie eher den Streit gesucht haben.

Wagner: Die Arbeitsinspektoren haben bei mir im November 2016 Mängel festgestellt und mir bis März 2017 Zeit gegeben, diese zu beheben. Auflagen, Fristen, Weisungen: Das hatte keinerlei Beratungscharakter.

Wagner: Ich habe mit Gegenwind gerechnet. Überraschend fand ich Härte und Intensität.
Foto: STANDARD/Urban

STANDARD: Es kursieren aktuell viele Horrorgeschichten über Arbeitsinspektoren. Was halten Sie davon?

Klein: Wir sind diesen Geschichten nachgegangen. Ich höre seit Jahren die gleichen Sachen, skurrile Erzählungen wie über das Unternehmen, das eigens einen Mitarbeiter abstellen musste, um das alte Obst aus dem Obstkorb zu holen. Wir konnten keine Hinweise darauf finden, dass alle diese Storys wahr sind. Mein Eindruck ist: Das sind Urban Legends.

Wagner: Also ich habe die Nachweise hier (Frau Wagner zückt eine Dokumentenmappe, Amn.). Das sind die Geschichten von Unternehmen, die sich allein in den vergangenen vier Tagen bei mir via E-Mail gemeldet haben. Mir schreibt ein Bäcker, dem verboten wurde, seine Brote aus Hygienegründen auf einem Holzregal zu legen. Ein anderer rät mir, das Land wegen der vielen Auflagen zu verlassen. Mir war es wichtig, herauszufinden, ob ich ein Einzelfall bin oder ob es auch andere gibt. Es gibt sie. Viele Unternehmer trauen sich nicht zu machen, was ich getan habe. Aber das sind keine Urban Legends.

STANDARD: Was würden Sie ändern?

Wagner: Gut fände ich, wenn Auflagen des Arbeitsinspektors an Unternehmer einen Weisungscharakter haben. Das ist derzeit nicht der Fall. Wenn ich heute umbaue, kann in zwei Jahren ein anderer Inspektor kommen und wieder sagen, es passe ihm etwas nicht. Eine Weisung des Arbeitsinspektorats, die pickt, an die ich mich halten muss, damit alles passt: Das ist doch nicht zu viel verlangt.

Klein: Wir haben als Sozialpartner etwas Ähnliches im Sozialversicherungsrecht gemacht. Da gibt es immer wieder Streitereien, ob ein Arbeitnehmer als Selbstständiger oder als ein weisungsgebundener Arbeitnehmer einzustufen ist. Das hat Unternehmer oft verunsichert. Hier hat man sich darauf geeinigt, dass sich die Behörden das künftig vorab ansehen und die Tätigkeit bewerten. Kommen sie zu einer Entscheidung, gilt das. So einen Ansatz stärker im Arbeitnehmerschutzrecht zu verankern kann ich mir vorstellen.

Klein: Mit ihrem Posting haben Sie Grundwerte des Arbeitnehmerschutzes ins Lächerliche gezogen.
Foto: STANDARD/Urban

STANDARD: Na bitte: ein gemeinsamer Reformansatz. Sehen Sie weiteren Reformbedarf?

Klein: Das Arbeitnehmerschutzgesetz ist eine große Errungenschaft. Seit 1994, als die Regeln erlassen wurden, hat sich die Zahl der Arbeitsunfälle um 60.000 pro Jahr reduziert. Aber so, wie Unternehmer Fehler begehen, können auch Behörden Fehler begehen. Gesetze auf Verbesserungen zu durchzuforsten ist immer sinnvoll. Ein Problem, das öfter angesprochen wird, ist, dass Behörden zu wenig abgestimmt agieren. Also im Arbeitnehmerschutz wird X vorgeschrieben, aber in den Hygienevorschriften Y. Eine Idee wären gemeinsame Begehungstermine der Behörden. Ich sehe aber, dass die Politik bereits reagiert hat. So wurde ein Beschwerde-Ombudsmann für Arbeitsinspektoren bestellt.

Wagner: Zum Ombudsmann wurde ein Arbeitsinspektor mit 30 Jahren Berufserfahrung ernannt, der noch dazu künftig im Arbeitsinspektorat sitzt. Dort soll ich mich als Unternehmer beschweren? Das ist doch ein Hohn. Warum kann das Wirtschaftsministerium nicht mit dem Sozialministerium zusammenarbeiten, gemeinsam ein Gremium bestellen? Das würde den Fairnesscharakter forcieren.

Klein: Ich gehe davon aus, dass man versucht hat, jemanden zu wählen, der mit der Materie vertraut ist und Betriebe nicht sekkiert. Sollte der jetzige Ombudsmann nicht positiv wahrgenommen werden, kann man über alles diskutieren. Ich gehe davon aus, dass er gute Arbeit machen wird.

Harter Schlagabtausch, aber auch einige gemeinsame Reformideen: Wagner und Klein beim Streitgespräch in der STANDARD-Redaktion.
Foto: STANDARD/Urban

STANDARD: Frau Wagner, Sie sagen, Unternehmer werden ungerecht behandelt. Nun ist Österreich eines der reichsten Länder der Welt. Übertreiben da viele mit ihrer Kritik an der Bürokratie nicht?

Wagner: Österreich hat ein sinkendes Wirtschaftswachstum, die Investitionen sind niedrig. Wenn Sie durch den ersten Bezirk gehen, steht jedes zweite Geschäft leer. Warum wohl? Ich sage nicht, dass nur die Bürokratie an den schlechten Wirtschaftsdaten schuld ist. Aber zumindest in meinem Fall ist es so, dass ich mir keine Gedanken darüber machen kann, wie ich sinnvoll investieren könnte, weil ich darüber nachdenken muss, wie ich Auflagen erfülle.

Klein: Österreich wird ein Wachstum von zwei Prozent für 2017 vorhergesagt. Ich habe es satt, wie der Standort kaputtgeredet wird. Frau Wagner, Sie haben gesagt, dass Sie wegen der Arbeitsinspektoren zusperren müssen. Wenn man sich auf den Dialog mit den Inspektoren einlässt, sind sie bereit, das Zentimetermaß beiseitezulegen und vernünftige Lösungen zu finden. Wir sind als Arbeiterkammer berechtigt, bei Begehungen der Inspektoren dabei zu sein. Wenn Sie wollen, gehe ich mit, und wir schauen, dass praxisgerechte Lösungen für beide Seiten herauskommen. Ich garantiere Ihnen, das lässt sich so machen, dass Sie Ihren Betrieb weiterführen können.

STANDARD: Sie haben Ihre Mitarbeiter in der Beauty Bar zur Kündigung angemeldet. Wären Sie bereit, sich umstimmen zu lassen?

Wagner: Ich bin auf der Suche nach Möglichkeiten für die Damen, die bei mir arbeiten. Das klingt nach einem guten Vorschlag, und ich bin gesprächsbereit, wenn ein konstruktiver Termin zustande kommt. Allerdings ist mein Vertrauen nicht das größte. (Moderation: András Szigetvari, Video: Maria von Usslar 28.3.2017)