Noch einmal war er der Star. Ilich Ramirez Sánchez (67), Deckname Carlos, einst der meistgesuchte Terrorist der Welt, trat bei seinem Prozess in Paris wie ein Grandseigneur auf: Bei seinem Eintritt in den Gerichtssaal schüttelte er Hände von Bekannten, verteilte er Wangenküsschen. Auf der Anklagebank zog er seine Show ab, gestikulierte ständig, um endlose Reden für die Sache der Proletarier und Palästinenser zu halten – auch wenn er das Wort nicht erhielt.

Zur Anklage äußerte sich der 67-jährige Ex-Terrorist hingegen kaum. Warum auch: Der Prozess war für ihn ohnehin ein Machwerk der Amerikaner und Juden. In Venezuela als Sohn eines kommunistischen Anwalts geboren, nach einem Studium in Moskau zum Chef der "Außenoperationen" der palästinensischen Volksfront PFLP aufgestiegen, hatte der "Schakal", wie er auch genannt wurde, in den 1970er-Jahren eine lange Blutspur hinter sich gezogen.

Im Sudan gefasst

Erst 1994 im Sudan gefasst, sitzt er seither in einem Gefängnis bei Paris. Für den Mord an zwei Polizisten und vier Attentate, die in Frankreich insgesamt elf Todesopfer und Dutzende von Verletzten forderten, hat Carlos bereits zwei lebenslange Haftstrafen erhalten.

Am Dienstag wurde er ein weiteres Mal verurteilt, diesmal für eine Attacke in der Pariser Einkaufsgalerie Drugstore, die im Jahre 1974 zwei Menschenleben forderte; 34 Passanten wurden verletzt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Carlos die tödliche Handgranate geworfen hatte. Das bestätigten im Prozess Augenzeugen sowie der deutsche Ex-Komplize Hans-Joachim Klein, der heute ein diskretes Leben in der Normandie führt. Ankläger Rémi Crosson räumte ein, dass er keine handfesten Beweise habe – "weder DNA-Spuren, Fingerabdrücke noch Videokameraaufnahmen". Mit Blick auf Carlos fügte er an: "Aber alles deutet auf ihn hin."

Ehefrau als Verteidigerin

Die Verteidigerin Isabelle Coutant-Peyre – die Carlos in Haft geheiratet hat – wies vergeblich darauf hin, dass die Verhaftung 1994 im Sudan an sich völkerrechtswidrig gewesen sei; ein rechtmäßiges Urteil sei damit gar nicht möglich. Französische Geheimdienstagenten hatten Carlos in der sudanesischen Hauptstadt Khartum in einem Moment überwältigt, als er sich auf eine Gesichtstransplantation vorbereitete. Sie flogen ihn sofort nach Paris aus, ohne auch nur ein formelles Auslieferungsgesuch abzuwarten.

Der "größenwahnsinnige Mörder", wie selbst die ostdeutsche Staatssicherheit Stasi ihren Berufsrevolutionär einstufte, verhehlte bei seinen Prozessen nicht, Organisator der Terrorserie in den 1970ern gewesen zu sein. Im Gegenteil, er rühmte sich sogar der Geiselnahme von Opec-Ministern im Jahr 1975 in Wien.

In einem Interview mit einer venezolanischen Zeitung prahlte Carlos einst, er habe mit seinen Gesinnungsgenossen im revolutionären Kampf gegen den Westen und Israel "mehr als hundert Anschläge" auf "sehr gute" Weise ausgeführt. Dadurch sei er für "1500 bis 2000 Tote" verantwortlich. (Stefan Brändle aus Paris, 28.3.2017)