Der saudische König Salman (links hinten im Auto) mit König Abdullah von Jordanien (rechts). Salman traf bereits vor dem Araber-Gipfel in Amman ein, die Saudis versuchen, Koalitionen zu schmieden.

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Amman/Wien – "Der Ort passt sehr gut", witzelt ein arabischer Diplomat am Telefon, "in der tiefsten Depression der Erde, am Toten Meer." Deprimierender als jener im Vorjahr kann der 28. Gipfel der Liga der Arabischen Staaten in Jordanien, der am Mittwoch mit dem Treffen der Staatschefs seinen Höhepunkt erreicht, aber auch nicht werden. 2016 hatte sich das damalige Vorsitzland, Marokko, sogar geweigert, den regulären Gipfel abzuhalten – er sei sinnlos, teilte Rabat mit – und gab die Staffel an Mauretanien weiter.

Dabei hätten die Araber durchaus einige Probleme zu lösen – etwa die Frage, wie man die Zentrifugalkräfte anhalten kann, die die arabischen Staaten auseinanderreißen. Wenn es nach den militärischen Plänen und Ankündigungen geht, sollte 2018 das Jahr werden, in dem der "Islamische Staat" (IS) kein Territorium mehr hält. Was die Arabische Liga tun will, um die entfremdeten Teile der arabischen Gesellschaften, die sich radikalen Ideen wie jenen des IS ergeben haben, zurückzugewinnen und wieder an ihre Staaten glauben zu lassen: unbekannt.

Tatsächlich scheinen die Araber bei der Neuordnung der Region völlig im Abseits zu stehen, militärisch und politisch. In Syrien haben Russland, der Iran und die Türkei eine Waffenruhe zwischen Rebellen und Regime beschlossen, in der IS-Hochburg Raqqa machen sich die USA, Russland und die Türkei die Positionen für die Offensive aus, und Kurden tragen einen Großteil der militärischen Last. Letzteres gilt auch für die Schlacht um Mossul, wobei dort neben den USA auch noch der Iran prominent im Umfeld mitspielt, mit der Türkei in Wartestellung. Auch eine arabische Libyen-Diplomatie gibt es nicht.

Entscheidendes Problem Iran

Saudi-Arabien, das schon 2016 versuchte, die Linie vorzugeben, ist aber dennoch davon überzeugt, sich mit dem einzig entscheidenden Problem der Region zu beschäftigen: dem Iran, dessen Einfluss aus der arabischen Welt verschwinden müsse. Daraus ergibt sich auf dem Gipfel eine arabische Variation der Gretchenfrage an Faust: "Wie hast du's mit dem Iran?" Und wer die Frage nicht zufriedenstellend negativ beantwortet, ist ein schlechter Araber.

Das waren zuletzt der Irak, der sich dem Iran weit geöffnet hat, und der Libanon, der sich aus innenpolitischen Gründen weigert, die schiitische Hisbollah als Terrororganisation zu verurteilen (und dafür vorübergehend saudische Militärhilfe einbüßte). Aber auch Algerien, das das Prinzip der Nichteinmischung hochhält, hat sich in der Vergangenheit den Wünschen aus Riad nicht gefügt. Oman soll heuer mitgeteilt haben, dass es, sollte eine Schlusserklärung zu aggressiv ausfallen, nicht auf höherer Ebene am Gipfel teilnehmen wird.

Der Irak hat jüngst sogar die Frage anklingen lassen, ob es nicht Zeit sei, wieder Vertreter des syrischen Regimes zuzulassen – die syrische Mitgliedschaft ist ja suspendiert. Ein unsicherer Kandidat, was Syrien betrifft, ist aus saudischer Sicht auch der ägyptische Präsident Abdelfattah al-Sisi, für den der Kampf gegen den Terrorismus Priorität vor dem Sturz des Assad-Regimes hat.

Aber Saudi-Arabien hat in den vergangenen Monaten seine Taktik geändert. Die stornierten Aramco-Lieferungen an Ägypten wurden wieder aufgenommen; der libanesische Präsident Michel Aoun, Kandidat der Hisbollah, wurde umarmt; Außenminister Adel al-Jubair wurde erstmals nach Bagdad geschickt, ein Erlass irakischer Schulden und die Wiederaufnahme von Flügen in Aussicht gestellt. Und die syrische Flagge darf zumindest wieder wehen beim Gipfel in Amman.

Neue arabische Achse?

Der saudische Spin will es, dass in Amman eine "neue arabische Achse" geboren werden könnte: im Wesentlichen aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, den Monarchien Marokko und Jordanien sowie Ägypten. Das sind auch jene Länder, die eine – mehr oder weniger offene – Sicherheitszusammenarbeit mit Israel pflegen: Parallel zum Gipfel findet etwa ein Militärmanöver in Griechenland statt, an dem die Vereinigten Arabischen Emirate an der Seite Israels teilnehmen.

Ach ja, die Palästinenserfrage: Dazu wird es die üblichen Lippenbekenntnisse geben, mit einer Betonung darauf, dass Jerusalem nicht die Hauptstadt Israels sein darf. Heuer jährt sich die Balfour-Erklärung, in der Großbritannien Unterstützung für die "Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk" in Palästina zusagte, zum 100. Mal. Also wird wohl auch das vorkommen. Sonst ist nichts zu erwarten. (Gudrun Harrer, 29.3.2017)