Die neue Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger hat ihre Wurzeln in der Gewerkschaft für Privatangestellte – in ihrer Funktion setzt sie auf sozialpartnerschaftlichen Interessenausgleich.

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Natürlich schauen alle her, wenn sie auftritt. Warum auch nicht, sie ist ja stets umringt von Menschen. Menschen, die Fotoapparate zücken, wann immer sie lächelt oder eine Hand schüttelt; Menschen, die emsig auf Notizblöcke schreiben; Menschen in weißen Mänteln, die wichtig und kompetent aussehen. Wären die alle nicht um sie herum, hielten die Patienten im Sozialmedizinischen Zentrum Süd vulgo Kaiser-Franz-Josef-Spital (KFJ) die freundliche blonde Frau mit dem Kurzhaarschnitt für eine der ihren.

Denn Sandra Frauenberger ist keine, die wie eine Hausherrin auftritt – obwohl sie das streng genommen ist. Die neue Wiener Stadträtin für Gesundheit, Soziales und Frauen pflegt leise Töne, wenn andere laut werden. Sie kultiviert das Zuhören, wenn andere reden. Und sie bleibt ruhig, wenn sich andere aufregen. Das kann ein Vorteil sein, wenn man in Wien Gesundheitspolitik betreibt.

Denn die Agenden, die Frauenberger von ihrer Vorgängerin Sonja Wehsely nach deren letztlich doch überraschendem Abgang übernommen hat, sind kompliziert, verworren und hoch emotional bis kontrovers: Spitalsreform 2030, Krankenhaus Nord, Gangbettenmisere, Primärversorgungszentren, lange Wartezeiten für MRT-Termine, Notärztemangel, und jetzt auch noch einen höchst unerfreulichen Rechnungshofbericht über das Management des KAV – an Fallstricken mangelt es nicht.

Arktisches Betriebsklima

"Ich bin in der SozialpartnerInnenschaft groß geworden" (sie sagt es mit hörbarem Binnen-I), "ich glaube, ich kann mit den verschiedenen Stakeholdern und Interessengruppen gut umgehen", glaubt Frauenberger. Dass in diesen zum Großteil männlich dominierten Gruppen oft das Testosteron den Ton angibt, kann die 50-Jährige als Mutter zweier Söhne auch nicht erschrecken.

Jedenfalls könnte es sich als kluger Schachzug erweisen, dass die Politikerin, die ihre Karriere in der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) begonnen hat und nach wie vor sehr enge Kontakte dorthin pflegt, nun just für die Ausgliederung des Krankenanstaltenverbundes (KAV) zuständig ist. Die rot-grüne Wiener Stadtregierung besteht darauf, die Gewerkschaft ist vehement dagegen. Frauenberger soll nun das Unmögliche möglich machen und eine (abgeschwächte) Form der Verselbstständigung der Wiener Spitals-Holding zur Zufriedenheit aller über die Bühne bringen.

Und das ist noch nicht die größte Schwierigkeit: Das Betriebsklima im KAV könnte man in manchen Bereichen als arktisch bezeichnen, und seit den erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Wehsely und Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres um ein neues Ärztearbeitszeitgesetz bewegte sich die Temperaturkurve zwischen Stadtratbüro und Standesvertretung ebenfalls um den Gefrierpunkt; die permanenten Konflikte rund um das nassforsche Management von KAV-Chef Udo Janßen tat ein Übriges.

Frauenberger will von alledem bis dato nichts abbekommen haben – obwohl es ihr kaum entgangen sein dürfte: Als Personalstadträtin war sie schon in ihrer früheren Funktion für die 32.000 KAV-Mitarbeiter zuständig. Am Tag nach ihrer Angelobung als Gesundheitsstadträtin besuchte Frauenberger gleich den ehrwürdigen Ärzteball und wurde dort "freundlich bis herzlich aufgenommen", wie sie sagt: "Man hat mir das Gefühl gegeben, dass man sich freut, dass ich da bin." Vielerorts spüre sie sogar "Entspannung", die Beteiligten hätten nun die Chance, wieder aus ihren "argumentativen Ecken" kommen zu können.

Diplomatie gefragt

Den Eindruck machen auch Ärzte und Pflegepersonal bei Frauenbergers Besuch im KFJ. Sie wird freundlich durch das Mutter-Kind- und OP-Zentrum auf dem Wienerberg geführt, man lobt gemeinsam den modernen Neubau, die Klagen wegen Personalmangels halten sich in etwa die Waage mit Lob über die Neuorganisation des Bereichs. Frauenberger hört zu und nickt, stellt Fragen, gibt Antworten, begrüßt alle mit Handschlag und netten Worten.

Das macht sie seit Ende Jänner fast ohne Unterbrechung: Alle Krankenanstalten der Stadt Wien will sie gleich zu Beginn abklappern, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Im Gespräch macht sie den Eindruck, als habe sich bereits eines in ihr verfestigt: "Ich glaube, hier gab es Kommunikationsprobleme zwischen Ärzten und Stadt. Mir kommt vor, beide Seiten wollen dasselbe, reden aber aneinander vorbei."

Das kann bedeuten, dass sich Frauenberger demnächst für den diplomatischen Dienst bewirbt – oder dass sie tatsächlich noch nicht in allen Verästelungen und Animositäten der städtisch-medizinischen Beziehung firm ist.

Schwierigste Ressorts

Ihre ruhige Art und die Genauigkeit, mit der sie sich in verwickelte Themen einarbeitet, hat Frauenberger, die seit 2007 Mitglied der Wiener Stadtregierung ist, an die Spitze der schwierigsten Ressorts gebracht: Sie war für Integration, Bildung, Kindergärten zuständig, jetzt für Gesundheit und Soziales – und Frauenfragen, was ihr seit ihren Anfängen in der GPA ein Anliegen ist. Frauenberger macht aus ihrer politischen Verwurzelung kein Hehl – was ihr von der Opposition den Vorwurf einbringt, sie sei "am Ende in ihren Entscheidungen immer ideologisch", wie es aus der ÖVP heißt.

Rund um den "Wiener Kindergartenskandal" um zweckwidrig verwendete Fördermittel, etwa durch den Verein Alt-Wien, warf ihr der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel vor, Frauenberger "killt Kindergärten", weil diese nicht in ihr Konzept passten. Sie dagegen sprach von wochenlangen fruchtlosen Verhandlungen mit dem Betreiber. In einem anderen Fall, als es um möglichen Förderbetrug durch einen islamischen Privatkindergartenbetreiber ging, warf ihr die "Krone" Versäumnisse bei der Kontrolle vor, was Frauenberger immer noch ärgert: "Im Gegenteil, wir haben das aufgedeckt!" Darüber gingen die Meinungen freilich auseinander.

Dass sie in der "Krone" immer wieder kritisiert wird, habe einen anderen Grund, meint sie selbst: "Ich habe eine klare Position bei Mindestsicherung, Frauengleichstellung, Grundversorgung, Integration – die stimmt in keinem Punkt mit der des Boulevards überein."

Zeit gewinnen

Für Vergangenheitsbewältigung blieb nach dem Ressortwechsel ohnehin keine Zeit: Dem Notärztemangel in Wien musste sich die Neue sofort stellen, ebenso der vehementen Kritik am KAV. Darauf drängte dem Vernehmen nach auch Bürgermeister Michael Häupl.

Der dräuende Untersuchungsbericht des Rechnungshofs zu den Bauverzögerungen (und Verteuerungen) beim Bau des Krankenhauses Nord sollte nicht mehr abgewartet werden: Am 21. März gab Frauenberger bekannt, dass sich die Stadt sofort von KAV-Chef Janßen trennen werde. Begründung: "Das Vertrauen ist nicht mehr da." Der Vertrauensverlust muss galoppierend gewesen sein, denn so lange kannte man einander nicht.

Es kann aber auch sein, dass die mit Spannung erwartete Klubsitzung der SPÖ Wien eine nicht unerhebliche Rolle spielte – um Kritik von vornherein die Spitze zu nehmen und Zeit zu gewinnen: Die KAV-Neuorganisation findet erst im Mai statt.

Janßen wurde der Abgang mit 395.000 Euro versüßt – und Frauenberger damit der Einstieg ins Ressort. Zumindest ein Problem in der Wiener Gesundheitspolitik ist sie damit los. (Petra Stuiber, CURE, 11.5.2017)