Demonstranten – wie hier in Sankt Petersburg – protestierten am Sonntag unter anderem gegen Premier Dmitri Medwedew.

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Zwei Tage nach den Demonstrationen in Russland haben vor allem die Gerichte in der Hauptstadt alle Hände voll zu tun: Bei den Protesten wurden in Moskau laut Polizei über 600, laut der NGO "OWD-Info" sogar gut 1000 Menschen festgenommen. Gegen Dutzende von ihnen werden jetzt Ordnungshaftstrafen von fünf bis zu 25 Tagen verhängt. In der Regel wird den Demonstranten Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen.

Bekannt ist, dass ein Polizist am Sonntag mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert wurde, nachdem er einen Tritt bekommen hatte. Die Behörden ermitteln gegen unbekannt, das Ermittlungskomitee kündigte bereits an, in dem Fall "die härteste juristische Bewertung" zugrunde zu legen und hat ein Verfahren wegen versuchten Totschlags eingeleitet.

Extremismusvorwurf droht

Harte Strafen könnten auch den Mitarbeitern von Alexej Nawalnys "Stiftung zur Korruptionsbekämpfung" drohen. Nawalny selbst wurde zunächst für 15 Tage in Arrest genommen, sein Vertrauter Nikolai Ljaskin wegen wiederholten Verstoßes gegen das Demonstrationsrecht zu 25 Tagen, andere Mitarbeiter zwischen fünf und zehn Tagen. Doch das ist erst der Anfang: Die Behörden untersuchen, ob das Video, in dem die Korruptionsvorwürfe gegen Premier Dmitri Medwedew publiziert wurden, den Bestand sozialer Hetze erfüllt. In dem Fall drohen den Beteiligten ein Extremismusverfahren und damit mehrjährige Haftstrafen. Das würde Nawalnys Ambitionen auf eine Präsidentschaftskandidatur 2018 endgültig beenden.

Inhaltlich hat der Kreml hingegen auf die Proteste noch nicht reagiert. Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow nannte die Demos lediglich eine "Provokation" und spekulierte, die vielen Jugendlichen bei den landesweiten Veranstaltungen seien durch Geldversprechen zur Teilnahme bewogen worden.

"Der Kreml tut alles, um die Leute noch mehr zu verärgern: 1000 Verhaftungen, Peskow bespuckt die Jugend ...die nächste Aktion wird noch größer", reagierte der Oppositionspolitiker Wladimir Milow auf die Vorwürfe.

Tatsächlich hat die sehr hohe Beteiligung von Jugendlichen zu zahlreichen Spekulationen geführt. Die Proteste unterscheiden sich damit deutlich von den Demonstrationen vor fünf Jahren. Einer der Gründe ist sicher, dass es heuer nicht um Wahlbetrug, sondern um Korruption geht und die Opposition über das Internet Zugang zur Jugend gefunden hat.

Allerdings räumt sogar die Ex-Sprecherin der Kremljugend "Naschi" Kristina Potuptschik ein, dass sich aufseiten der Regierung "ultakonservative Kräfte" inzwischen zum Sprachrohr gemacht haben, die mit ihren Forderungen nach "traditionellen Werten" und Drohungen (Wiedereinführung der Prügelstrafe) bei den jungen Menschen schlecht ankommen. (André Ballin aus Moskau, 28.3.2017)