Das Hirn eines Schimpansen misst gerade einmal ein Drittel des Menschenhirns.

Megan Petersdorf

Ein Schimpanse stopft sich mit Äpfeln voll. Hat die Ernährung mit Früchten den Primaten ein größeres Gehirn gebracht? Eine neue Studie legt diese Hypothese nahe.

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New York / Wien – Mit einem durchschnittlichen Volumen von 1230 Kubikzentimetern ist Gehirn eines Menschen ungefähr dreimal so groß wie das eines Schimpansen, eines Orang-Utans oder eines Gorillas. Deren Hirne sind aber wieder deutlich größer als die anderer Primaten.

Dass die Hirngröße bei den meisten Tierarten mit Intelligenz positiv korreliert, wurde in den vergangenen Jahren durch eine Vielzahl von Studien bewiesen. Höchst umstritten ist aber seit gut zwei Jahrzehnten, was der Motor war, der hinter dem Hirnwachstum bei Affen steckte: Lag es an einer nahrhafteren Diät? War es der allmähliche Werkzeuggebrauch?

Hirngröße wächst mit Größe der Gruppe

Seit gut zwei Jahrzehnten gibt es eine dritte Hypothese, die zuletzt die Diskussionen beherrschte und vor allem vom britischen Anthropologen Robin Dunbar vertreten wird. Es komme auf die Gruppe an, in der die jeweilige Art lebt: Je größer die Gruppe, desto größer das "soziale Hirn". Menschengruppen könnten demnach bis zu 150 Mitglieder haben. (150 gilt auch als die Dunbar-Zahl, die mit Daten aus sozialen Netzwerken getestet wird.)

Die US-Anthropologin Alex DeCasien (New York University) hat mit zwei Kollegen nun aber noch einmal die These vom "sozialen Gehirn" überprüft – und kam zu einem ernüchternden Ergebnis. Für ihre Studie im Fachblatt "Nature Ecology & Evolution" trugen sie den bisher größten Datensatz über die Hirngröße von mehr als 140 nichtmenschlichen Primatenspezies in Zusammenhang mit deren Sozialleben, aber auch deren Fressgewohnheiten zusammen.

Die Schädel eines Lemuren, einer Grünmeerkatze, eines Gibbons, eines Pavians, eines Schimpansen und eines Menschen im Vergleich.
Megan Petersdorf

Umfangreiche Artenvergleiche

Damit haben sie dreimal mehr Arten berücksichtigt als in den bisher umfangreichsten Vergleichsuntersuchungen. Zudem berücksichtigten die Forscher nicht nur die Gruppengröße, sondern auch die Sozialstruktur und das Paarungsverhalten. Hatten frühere Untersuchungen eine deutliche Korrelation zwischen den sozialen Indikatoren und der Hirngröße gefunden, verschwand dieser Zusammenhang bei den Analysen von DeCasien.

Stattdessen gab es einen anderen Faktor, der einen größeren Erklärungswert hatte: Die Hirne von Primaten, die Früchte fressen, sind im Schnitt um rund 25 Prozent größer als die von reinen Blätterfressern. Bleibt die Frage, warum der Genuss von Früchten zu größeren Hirnen führt. Die Antwort des Forscherteams: Um Früchte zu fressen, braucht es einiges an Intelligenz. Denn die Affen müssen wissen, wo sie wachsen und wann sie am besten schmecken. Und zudem muss man sie oft auch noch schälen oder zerlegen, was handwerkliches Geschick erfordert.

Kritischer Kommentar Dunbars

Doch die Diskussionen über den Treibstoff der Hirnentwicklung sind damit noch lange nicht beendet. Zumindest wenn es nach Robin Dunbar geht, der die Studie in "Science News" kommentierte: Größere Hirne würden mehr Energie brauchen, was bedeutet, dass die Diätumstellung womöglich eine Folge des Hirnwachstums war und nicht ihre Ursache. (tasch, 28.3.2017)