Das Kitch (vormals Art) in der Falkestraße hat neben teurer Kunst und grünem Samt nun einen Zweisternekoch als Berater.

Foto: Heribert Corn

Ora King Lachs: Eine löffelweich gedämpfte Schnitte, die buchstäblich auf der Zunge schmilzt.

Foto: Heribert Corn

Es ist verwirrend, wenn ein Restaurant, das vor ein paar Monaten als "Art" aufgesperrt hat, plötzlich als "Kitch" firmiert. Speziell, wenn der Namenswechsel mit der Verpflichtung eines keineswegs firlefanzverdächtigen Hyper-Chefs als Küchenberater einhergeht. Für die Neupositionierung ausschlaggebend dürfte gewesen sein, dass der anfängliche Versuch, hier eine Art Molekularküche mit gangweiser Cocktail-Begleitung zu kombinieren, den Gästen schlicht zu anstrengend war.

Den Betreibern ist zugutezuhalten, dass sie auf das Missgeschick entschlossen reagiert haben: Die Bude wurde zugedreht und erst wieder eröffnet, nachdem ein schlüssiges Konzept vorzuweisen war. Das spricht nun eine explizit männliche Kundschaft an, die sich auch am Teller gern auf PS-starke Statussymbole verlässt und mit diesem Bedürfnis in Wien bislang recht alleingelassen wurde.

Exklusiver Hochleistungsgrill

Amador, der in Deutschland einst mit drei und in seinem Grinzinger Etablissement nun mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde, hat das gut erkannt. Im Kitch ließ er einen exklusiven Hochleistungsgrill in die Küche stellen und eine Speisekarte entwerfen, die es auf neun Seiten an nichts sparen lässt, was von ganz weit herkommt, in Wien bislang kaum zu haben war und im Zweifel so dick kostet, dass der Distinktionsgewinn automatisch inkludiert ist.

Gillardeau-Austern und Royal-Kaviar zum Auftakt wirken geradezu gewöhnlich im Vergleich zu australischem Hiramasa Kingfish, in salziger Erde gezogenen RAF-Tomaten (heißen nicht wegen der blutroten Farbe so) oder Tristan-Lobster, der von der entlegensten Insel der Welt, irgendwo weit unten im Südatlantik, stammt. Den extrem langsam wachsenden schwarzen Seehecht, einen in der Antarktis lebenden Tiefseebewohner, gibt es auch. Als "Chilean Seabass" gilt er den Besuchern von Bling-Bling-Restaurants in aller Welt als Edelfisch, der mit seidig weißem Fleisch von überragendem Biss betört – aber halt akut gefährdet ist.

Auch Ora King Lachs durfte die Geldgaumen der Stadt bislang noch nicht kitzeln. Der mit hohem Nachhaltigkeitsaufwand auf der entgegengesetzten Seite des Globus gezüchtete, neuseeländische Lachs weist einen extrem hohen Fettanteil auf und gilt Kennern als exklusivster Zuchtlachs überhaupt. Die Anlieferung via Transkontinentaljet sollte man aus Gründen der Gewissenshygiene halt auszublenden vermögen. Wem das gelingt, darf sich auf eine löffelweich gedämpfte Schnitte freuen (siehe Bild), die buchstäblich auf der Zunge schmilzt. Hauchzart tranige Noten werden von einem kraftvoll sauren, krenscharfen Wasabi-Schaum souverän weggewischt. Dazu gibt es schwarzen Reis mit knackigen Apfelwürfeln – eine gekonnte Kombination, die Frische, Biss und fruchtige Kontraste vermittelt.

Potenz der Galle

Kobe-Beef, extrem fettreiches Rind, das in Japan in hauchdünnen Scheiben in Sukiyaki-Eintopf oder für Shabu-Shabu verwendet wird, kommt im Kitch als massiv forderndes, 150 Euro teures 300-g-Steak zu Tisch – als Leistungsbeweis für die Gallenblase mindestens ebenso beeindruckend wie für die Potenz der Brieftasche. Wobei: Nicht alle Gerichte spielen in derart schwerkraftbefreiten Zonen. Es gibt auch Burger um 12 Euro, richtig gute, flaumige Schinken-Kroketten mit Sauce Trara um 15 Euro oder sehr saftige, kümmelige Spareribs um 20 Euro. Was hingegen peinlich wirkt, sind die gummigen Gnocchi von der Zuspeisen-Karte, die mit schwarzer Trüffel angekündigt werden, stattdessen aber mit Sommertrüffeln (ungleich günstiger, massiv aromaärmer) aufgetragen werden. Bei so was kann der Macho von Welt nämlich fuchsig werden! (Severin Corti, RONDO, 31.3.2017)

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